Die Kino-Kritiker

«Paul»

von
Die Flucht des coolsten Aliens der Filmgeschichte vereint gekonnt britischen Humor mit US-Comedy-Feeling.

Simon Pegg und Nick Frost sind zweifellos das, was man gemeinhin als Dreamteam bezeichnen kann. Schon vor über zehn Jahren standen die beiden Briten und ehemaligen Mitbewohner für die Comedyserie «Spaced» (1999-2001) gemeinsam vor der Kamera, die unter anderem aus der Feder von Pegg selbst stammte. Seitdem eiferten sie bei gemeinsamen Filmauftritten ihrer realen Beziehung zueinander nach und mimten auch nach «Spaced» in der herrlichen Zombiekomödie «Shaun of the Dead» (2004) sowie der noch besseren Actionpersiflage «Hot Fuzz» (2007) ein unzertrennliches (bzw. im Verlauf des Films unzertrennlich werdendes) Freundepaar. Komplettiert wurde dieses unterhaltsame Gespann dabei stets durch den Filmemacher Edgar Wright, der sowohl alle 14 Folgen von «Spaced» inszeniert hat als auch als Co-Autor (neben Pegg) und Regisseur von «Shaun of the Dead» und «Hot Fuzz» positiv auf sich aufmerksam machte.

Nach einigen Soloausflügen (Pegg war unter anderem in J. J. Abrams Blockbustern «Mission: Impossible III» und «Star Trek» zu sehen, während Frost vor allem in «Radio Rock Revolution» ein gute Figur machte) sind Simon Pegg und Nick Frost in der Komödie «Paul - Ein Alien auf der Flucht», zu der die beiden auch gemeinsam das Drehbuch beisteuerten, nun endlich wieder vereint. Für ihren neuesten Streich haben sie aber zur Abwechslung auf ihren Kumpel Edgar Wright verzichtet und sich stattdessen in die Obhut des «Superbad»-Regisseurs Greg Mottola übergeben. Dennoch ist «Paul» ein überaus kurzweiliger, wenn auch leider etwas zu braver Science-Fiction-Spaß geworden, der vor allem durch witzige Dialoge und ein liebenswertes Protagonistentrio punkten kann.

Zwei Drittel dieses Trios sind die besten Freunde Graeme (Pegg) und Clive (Frost), die sich als große Comic- und Science-Fiction-Nerds einen persönlichen Traum erfüllen und in die USA reisen, wo sie die alljährliche Comic-Con in San Diego besuchen. Begeistert von der Messe, begeben sie sich kurz darauf mit dem Wohnwagen auf eine Tour durch den Westen der Vereinigten Staaten, um zu den bedeutendsten Stätten für Alien-Jünger zu pilgern. Als sie auf dem Weg durch Nevada in der Nähe der legendenumwobenen Area 51 jedoch plötzlich vor einem waschechten Außerirdischen (dt. Stimme: Bela B.) stehen, trauen sie ihren Augen nicht. Das freundliche, wenn auch etwas ungenierte grüne Männchen namens Paul ist auf der Flucht vor dem FBI und bittet die beiden fassungslosen Briten um eine Mitfahrgelegenheit. Mit der Hilfe von Graeme und Clive will er Kontakt zu seinesgleichen aufnehmen, um schließlich von der Erde gerettet zu werden. Doch mit dem FBI, homophoben Hillbillies und erzkatholischen Einheimischen im Nacken wird der skurrile Road Trip alles andere als ein Kinderspiel.

Den Kinozuschauer hingegen erwarten 100 außerordentlich witzige Minuten. Während sich die Einführung der beiden menschlichen Protagonisten trotz des gewohnt sympathisch aufspielenden Duos Pegg und Frost noch ein wenig hinzieht, nimmt das Geschehen wenig später mit dem Auftauchen des titelgebenden Paul spürbar an Witz und Fahrt auf. Man muss den schlaksigen Außerirdischen ob seiner charmanten, lässigen und streckenweise unflätigen Art einfach mögen. Regelmäßig stiehlt er seinen menschlichen Mitstreitern die Show. Seine gelungen animierte Gestalt trägt ihr Übriges dazu bei, wobei vor allem auch die, seinem Originalsprecher Seth Rogen («Beim ersten Mal», «The Green Hornet») teilweise nachempfundene Mimik durchweg überzeugen kann. Und auch Ärzte-Schlagzeuger Bela B. kann als deutsche Stimme von Paul seinem außerirdischen Pendant markiges Leben einhauchen. Selbst bei vielen seiner anstößigen Anwandlungen schimmert immer wieder eine gutmütige, mitunter fast weise Ader durch.

So nimmt man dem rauchenden, Alkohol trinkenden und unablässig fluchenden Alien seine komischen, bisweilen gar zotigen Momente ebenso wie die besinnlicheren Szenen ohne Zögern ab. Die aus der großartigen Figur bezogene Situationskomik geht in Verbindung mit Peggs und Frosts Dialogwitz meist voll auf und ist in einigen Fällen gar zum Brüllen komisch. Abgerundet wird der über weite Strecken zündende Humor schließlich durch zahlreiche gelungene Genreanspielungen und -zitate, zielsichere Seitenhiebe gegen amerikanische Eigenarten sowie aberwitzige Nebenfiguren, allen voran die beiden trotteligen, von den Komikern Bill Hader («Superbad») und Joe Lo Truglio («Ananas Express») herrlich überzogen verkörperten FBI-Agenten.

Dennoch kommt «Paul» trotz aller Flüche und satirischer Spitzen insgesamt ein bisschen zu zahm und zurückgenommen daher. Man wird das Gefühl nicht los, dass die Produktion unbedingt zugänglicher sein möchte als «Shaun of the Dead» und «Hot Fuzz». Dadurch bleibt aber auch deren Biss leider größtenteils auf der Strecke. Hier wäre noch ein wenig mehr drin gewesen. Der größte Schwachpunkt des Films, der angesichts des gelungenen Humors und der grundsympathischen Hauptfiguren jedoch erfreulicherweise nicht allzu sehr ins Gewicht fällt, ist aber seine vergleichsweise unoriginelle und in weiten Zügen vorhersehbare Handlung. Recht schnell wird klar, worauf das ganze Unterfangen zusteuert. Pegg und Frost scheinen ihre gesamte kreative Energie in die Komik investiert zu haben, was auch nicht weiter verwerflich ist, funktioniert dieses Konzept doch mehr als gut. Jedoch hätte eine fesselnd erzählte Geschichte den wunderbaren Film zu etwas noch Größerem machen können, wie es beispielsweise ihre letzte gemeinsame Arbeit «Hot Fuzz» gewesen ist, die abseits ihres brachialen Humors auch noch eine packende Krimihandlung zu bieten hatte.

Greg Mottolas Inszenierung weiß diese Storymängel derweil leider nicht zu kaschieren, kommt seine Regieleistung doch ohne große Highlights aus. Da fragt man sich unweigerlich, was wohl ein Edgar Wright noch aus dem Stoff seiner beiden Buddys Simon Pegg und Nick Frost herausgeholt hätte, ist der Brite doch für seinen markanten, einfallsreichen und teils berauschenden visuellen Stil bekannt, den er unlängst in der abgedrehten und sehr zu Unrecht gefloppten Comicverfilmung «Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt» (2010) erneut eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat.

Trotz seiner Schwächen ist und bleibt «Paul» aber zweifellos sehenswerte Comedy-Unterhaltung. Auch wenn hier und da ein wenig Potenzial verschenkt wurde, hat die Science-Fiction-Komödie viele Lacher auf ihrer Seite. Selbst ohne eine allzu innovative Handlung, nimmt man gern an dem ungewöhnlichen Road Trip von Paul, Graem und Clive teil, würde ihm angesichts dieser liebenswerten Herrschaften gar noch ein Stück länger beiwohnen wollen. Somit ist auch die neueste Zusammenarbeit des unschlagbaren Brit-Duos Simon Pegg und Nick Frost wärmstens für einen geselligen Kinoabend zu empfehlen, sollte man doch die Bekanntschaft mit dem wohl coolsten Außerirdischen der Filmgeschichte nicht missen.

«Paul» ist seit dem 14. April in vielen deutschen Kinos zu sehen.

Kurz-URL: qmde.de/49044
Teile ich auf...
Kontakt
vorheriger Artikel360 Grad: Auf den Spuren des «Domino Day»nächster ArtikelAmerikas heißeste Liste: Fünf Wochen vor den Upfronts

Optionen

Drucken Merken Leserbrief




E-Mail:

Quotenletter   Mo-Fr, 10 Uhr

Abendausgabe   Mo-Fr, 16 Uhr

Datenschutz-Info

Letzte Meldungen

Werbung

Mehr aus diesem Ressort


Jobs » Vollzeit, Teilzeit, Praktika


Surftipp


Surftipps


Werbung