First Look

«The Killing»: Fast schon hervorragend

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Wir blicken künftig noch mehr in die Vereinigten Staaten - dorthin, wo die Perlen des Fernsehens laufen. Unser US-Korrespondent Christian Wischofsky präsentiert den deutschen Fernseh-Fans den "First Look" - bei fiktionalen Programmen übrigens komplett Spoiler-frei. Heute: Die neue AMC-Serie «The Killing».

AMC startete in dieser Woche eine Adaption von «Forbrydelsen», das hierzulande als «Kommissarin Lund» bekannt ist.

Der Remakewahn in den USA findet auch im Fernsehen immer mehr Einzug. Bevor es im kommenden Herbst zu Neuauflagen von «Drei Engel für Charlie» und «Wonder Woman» kommt, versucht sich der Kabelkanal AMC sich seit Sonntag an einem europäischen Stoff, welcher allseits mit Lob überschüttet wird. «Forbrydelsen», welches unter dem deutschen Titel «Kommissarin Lund» seit Herbst 2008 auf ZDF ausgestrahlt wird, erfährt als «The Killing» eine Neuauflage im US-Style. Wie im Original ist die Prämisse der Serie recht einfach: Eine Schülerin wird ermordet aufgefunden und ihr Tod beeinflusst mehrere Menschen auf mehreren emotionalen Stufen. Angefangen von den trauernden Eltern, dessen Leben wie ein Kartenhaus zusammenbricht, bis hin zu den ermittelnden Polizeikräften, dessen Geduld sehr bald strapaziert wird.

Doch «The Killing» ist letzten Endes nicht so einfach, wie es die Beschreibung aussehen lässt. Wer «Kommissarin Lund» schon gesehen hat, weiß ungefähr, was einen in «The Killing» erwarten wird. Schon die Doppelfolge, mit der AMC den 13-teiligen Lauf der ersten Staffel eröffnete, zeigt, dass die Autoren des Remakes einen anderen Weg als das Original gehen wollen. Während die dänische Serie schon früh keinen Hehl daraus machte, ein Krimithriller mit zahlreichen emotionalen Momenten zu sein, nimmt sich die von Veena Sud («Cold Case») entwickelte US-Serie weitaus mehr Zeit in seinen Charaktergeschichten. Auf die Ermittlung des Mordes an Rosie Larsen wird sich nur zweitrangig fokussiert, stattdessen gibt es unzählige Momente, in denen die Darsteller ihr mit Emotionen verzeichnetes Gesicht in die Kamera halten und dadurch ihren Charakteren vielschichtige Facetten geben – und das ganz ohne Dialog oder den bei Autoren geliebten Rückblenden. Besonders im Fall der führenden Ermittlerin Sarah Linden (Mireille Enos, «Big Love») zeigt sich die Art des unkonventionellen Schreibens: Sie spricht nur, wenn es für die Geschichte notwendig ist und sie ist das ruhige Zentrum in einer ansonsten chaotischen Story.

Genau dieses Storytelling ist in den ersten Episoden für US-Verhältnisse schon fast hervorragend. Mit Gefühl wagt man sich an die Geschichte eines vermissten Mädchens heran und bildet genügend Schichten während seiner ersten Stunde , die für den Rest der Staffel problemlos als Quelle für weitere Storys herhalten können. In der ersten Stunde geben die Autoren den Zuschauern direkt als auch indirekt eine Handvoll Verdächtige, sowie genügend Momente, um zu verdeutlichen, dass auch Rosies Eltern Mitch (Michelle Forbes, «In Treatment») und Stan (Brent Sexton, «Life») Opfer der schrecklichen Tat sind; auf emotionaler Basis. Die ersten paar Personen aus dem Verdächtigenkreis werden vorgestellt, angefangen mit dem Politiker Darren Richmond (Bill Campbell), der für das Amt des Bürgermeisters kandidiert und mit dem Mordfall in Verbindung gerät, übergehend zu Rosies Freunden Jasper und Sterling, die beide nicht ganz ehrlich zu den Vorgesetzten wirken und vielleicht sogar ein Detective aus dem ermittelnden Polizeiteam – wie es sich für einen großen Krimi gehört, der Mörder könnte schon längst unter uns weilen und mit den Charakteren ein Katz-und-Maus-Spiel treiben.

Während «Kommissarin Lund» vor allem als Krimithriller vollends überzeugen konnte, hat «The Killing» schon beweisen können, dass es auf melodramatische Art und Weise den Zuschauer in den Bann ziehen will (und demnach einen anderen Weg als das Original gehen möchte). Durch die bewusst verlangsamte Erzählweise erlauben die Autoren eine große Anzahl von kleinen Momenten in den Geschichten, welche im Normalfall in einer Copserie nicht zu sehen sind. «The Killing» ist mehr ein Kriminalroman in Serienform als traditionelle Copserie – eine willkommene Abwechslung zu den reichlichen Copserien im US-Fernsehen, welche ihre Geschichten nur innerhalb einer Episode entwickeln können. Die düstere und kalte Atmosphäre hilft der Serie dabei enorm. Die Handlung passt nicht nur perfekt in das verregnete Seattle, auch dient die Großstadt mit ihren grauen Wolken als Metapher für den Gemütszustand der Personen: Seattle ist ein Motiv, ein Tonsetzer für die Meisten der Charaktere. Seattle ist ein Spiegel für die Gemütsverfassungen der Polizisten, der Verdächtigen und der Opfer.

Allerdings hat «The Killing» auch ein kleines Problem, was der Serie letztendlich Spannung kosten könnte: Die ganze Geschichte um Richmond und seine Bürgermeisterkampagne wirkt zuerst deplatziert, dann willkürlich mit dem Mord verbunden. Da Bill Campbell einer der namhaftesten Darsteller im Cast ist, und nachdem die Pilotfolge schon ungewöhnlich viel Zeit in seinen Charakter investiert hat, wollen die Autoren uns weismachen, dass er der Hauptverdächtige ist. Damit stellt «The Killing» sich jedoch eine eigene Falle: Ist Richmond der Mörder, war es über die Laufzeit der Staffel vorhersehbar, und ist der nicht der Mörder, haben wir die meiste Zeit mit einem Ablenkungsmanöver verschwendet. Hier stellt sich die Frage, ob die Serie eine zufriedenstellende Geschichte über 13 Episoden erzählen kann.

Obwohl AMC mit den ersten beiden Episoden bewiesen hat, dass «The Killing» ein Krimidrama mit langsamer Erzählweise ist, könnte genau diese Art der des Erzählens der größte Feind der Serie sein. Sie hat im vergangenen Jahr schon «Rubicon» nach nur einer Staffel den Kopf gekostet und es ist mit Serien aus diesem Genre äußerst schwer, Zuschauer über die gesamte Laufzeit halten zu können. Die Auftaktreichweite war für AMC zwar erfolgreich (2,7 Millionen Zuschauer und damit die zweiterfolgreichste Serienpremiere auf AMC nach «The Walking Dead»), aber hier entscheiden die nächsten Wochen, ob das internationale Phänomen «Forbrydelsen» auch im US-Fernsehen schnell Fans gewonnen hat.

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