Die Kritiker

«Die Wanderhure»

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Inhalt


Konstanz im Jahr 1414. Gegen ihren Willen soll die schöne junge Marie den unehelichen Sohn des Grafen von Keilburg heiraten. Doch Marie liebt nur ihren Jugendfreund Michel. Geblendet vom möglichen Aufstieg seiner Tochter unterschreibt ihr Vater Mathis den Vertrag. Graf Heinrich von Keilburg will seinen unehelichen Sohn Ruppertus anerkennen und zum Prinzen machen. Durch eine Heirat mit ihm würde Marie in den Adel aufsteigen. Als Ruppertus aber Maries Abneigung spürt, fühlt er sich zutiefst gekränkt. Durch eine Intrige schafft er es, dass Marie brutal vergewaltigt, der Hurerei beschuldigt und unschuldig verurteilt wird. Marie wird am Schandpfahl ausgepeitscht und aus der Stadt verbannt. Halb tot wirft sie sich freiwillig in den Fluss, um ihren Selbstmord vorzutäuschen. Die Wanderhure Hiltrud findet Marie später schwerverletzt. Nur der Gedanke an Rache lässt Marie überleben. Doch die Hilfe hat ihren Preis. Um ihre Schulden zu begleichen, muss Marie ihren Körper verkaufen. Nur ihr unendlicher Hass und der Wunsch, irgendwann ihre Ehre und Würde als Frau wiederzuerlangen, lassen sie ihre Scheu überwinden. Marie nimmt eine neue Identität an und spielt die Rolle der Hübschlerin Hannah, die schnell die Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Als sie die Adelsdame von Arnstein und ihren Gemahl Dietmar kennenlernt, wittert Marie ihre große Chance. Denn für ihren Plan braucht sie niemand geringeren als den König.

Darsteller


Alexandra Neldel («Killerjagd», «Unschuldig») ist Marie Schärer alias Hannah
Bert Tischendorf («Geld.Macht.Liebe») ist Michel Adler
Nadja Becker («Danni Lowinski») ist Hiltrud
Julian Weigend («Schimanski») ist Ruppertus Splendidus
Michael Brandner («Der Untergang») ist Graf von Keilburg
Elena Uhlig («Mit Herz und Handschellen») ist Mechthild von Arnstein
Thure Riefenstein («Schatten der Erinnerung») ist Dietmar von Arnstein
Götz Otto («Ein Haus voller Töchter») ist König Sigismund
Alexander Beyer («Transit») ist Jodokus von Arnstein
Miguel Herz-Kestranek («Ausgerechnet Afrika») ist Mathis Schärer

Kritik


Die Romanverfilmung «Die Wanderhure» kommt mit einer hochkarätigen Besetzung aus deutschen Serien- und Filmschauspielern auf den Schirm. Das Original, der Bestseller «Die Wanderhure des Autorenduos Iny Lorentz hat den Charakter eines historischen Kriminalromans, der in drei weiteren Teilen fortgesetzt wurde. Als TV-Event auf Sat.1 wollte Ex-Senderchef Guido Bolten ins Programm bringen. Ein Jahr später haben sich die Vorzeichen beim Bällchensender geändert, doch der Film kommt zur Ausstrahlung mit Alexandra Neldel in der Hauptrolle. Die Romanvorlage ist in seiner Sprache eher vulgär und beschreibt Brutalitäten ihrer Handlung sehr genau. Keine leichte Rolle also für das ehemalige «Gute Zeiten, Schlechte Zeiten»-Sternchen Neldel, das sich mit der Serie «Unschuldig» und den «Killerjagd»-Filmen aber auch schon an ganz andere Genres herangetraut hat. Bekannt wurde sie auch durch Komödie und Liebesfilme, in «Die Wanderhure» wurde ihr einiges abverlangt. Als Marie Schärer wird sie brutal ausgepeitscht und vergewaltigt. Bei den Dreharbeiten half auch der Rückenschutz gegen die Peitschenhiebe wenig, für Neldel waren manche Drehtage schmerzhaft, wie sie in einem FAZ-Interview zugab. Bei den Vergewaltigungsszenen musste sie weinen, wie sie gestand. Offensichtlich ging ihr die Thematik sehr nahe, was für eine authentische Rolle im Film jedoch nur von Vorteil sein kann.

Die Geschichte selbst ist grausam, weil sie ein Schicksal einer jungen Frau im Mittelalter beschreibt, das schlimmer nicht sein könnte. Sich in solch eine Lage zu versetzen, verlangt einer Schauspielerin ohnehin viel ab. Und so haben sich die Qualen und Tränen bei den Dreharbeiten für Alexandra Neldel am Ende vielleicht doch ausgezahlt, denn die Hauptrolle füllt sie überzeugend und emotional aus. Dem Zuschauer vermittelt sie tatsächlich ein sehr detailreiches Bild der Gefühlslagen, der Leiden und der Rachsucht der Marie Schärer. Die Verkörperung einer Romanfigur könnte nicht echter sein. Auch wenn die Neldel für einen Mittelalter-Film zu sehr wie eine moderne Frau wirkt und faktisch fast doppelt so alt ist wie die verkörperte Figur. Doch auch vor den Nacktszenen hat sich Neldel nicht gescheut. Sie zeigt viel Haut. Mehr noch als in dem typischen Spielfilm abverlangt wird, denn auch das ist ein Indiz der authentischen Darstellung. Ein Film über eine Wanderhure wäre nicht plausibel, würde die Hauptdarstellerin eine prüde Wirkung ausstrahlen. Neldel schafft die Gratwanderung und kann den Zuschauer für ihre Rolle emotionalisieren.

Auch der weitere Cast überzeugt. Auch Nadja Becker, die momentan auch wieder für neue «Danni Lowinski»-Folgen vor der Kamera steht, kann ihrer Rolle als Wanderhure und späteren besten Freundin der Hauptfigur authentisch wirken lassen. Elena Uhlig als Mechthild von Arnstein, die ihrem Gatten eine Hure besorgt, bringt weiteres Leben in den Film, der zu keinem Zeitpunkt langweilig ist. Dies mag auch an der guten Geschichte liegen. Das Drehbuch von Gabriele Kister hält gefühlvolle Dialoge und ein gut beschrieben und vor allem ergreifenden Schicksal einer jungen Dame bereit. Regisseur Hansjörg Thun hat mit TV-Eventfilmen schon Erfahrung, drehte unter anderem «Die Schatzinsel» und konnte daraus für seine Arbeit an «Die Wanderhure» ersichtlich schöpfen. Die Gewaltszenen hat er nicht allzu brutal wirken lassen. Doch bekommt der Zuschauer bei der Inszenierung des Regisseurs immer ein Gespür für die missliche Lagen und die Brutalität, die suggeriert werden soll. Den historischen Hintergrund hat man allerdings ausgeklammert und konzentriert sich auf das Wesentliche, welches die Themen Freundschaft, Liebe, Sex und auch Rache sind. Große Emotionen statt Geschichtskurs. Für den spannenden und actionreichen Part des Films sorgen eben jene Szenen, in denen es um brutale Gewalt, Intrigen und Habgier geht. Mit den ungenierten Sexszenen hat man auch etwas Erotik mit hineingepackt. Die Bilder von Gerhard Schirlo (Kamera) überzeugen ebenfalls in einer mittelalterlich, atmosphärischen Kulisse.

Das Gesamtpaket von «Die Wanderhure» ist also in sich schlüssig. Neben Spannung, Action und etwas Erotik hält der Film eine schicksalhafte Geschichte bereit, die beim Zuschauer Emotionen weckt. Die Steilvorlage des Romans hat man also gut umgesetzt, wenngleich die Literaturverfilmung teilweise weniger detailreich ausfällt. Respekt gebührt Alexandra Neldel, die eine gute Hauptrolle spielt. Doch oftmals sieht man in ihrem Gesicht mehr die moderne Dame als die Wanderhure aus dem Mittelalter. Kann man sich dieses Gedankens aber entledigen, kann man zum TV-Event «Die Wanderhure» getrost einschalten.

Sat.1 zeigt den TV-Eventspielfilm «Die Wanderhure» am Dienstag, 05. Oktober 2010 um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/44984
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