Sonntagsfragen

Sonntagsfragen an Nicole Wilms und Sebastian Buchinger

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Die zwei Agentur-Partner standen Rede und Antwort: Wie hat sich die Lage der Moderatoren in den vergangenen Jahren verändert?

Frau Wilms, Herr Buchinger: Wie wird man berühmt?
Sebastian Buchinger (28, Niederlassung München): Das ist schwer zu sagen! Dafür gibt es kein Patentrezept. Wir suchen uns Newcomer aus, die Talent, Ehrgeiz und viel Fleiß mitbringen.
Nicole Wilms (32, Niederlassung Köln): Und nicht zu vergessen – Stressresistenz! Im Bereich Moderation schadet natürlich auch ein solider, journalistischer Background nicht. Dabei sprechen wir natürlich nicht von medialen Eintagsfliegen.

Warum zieht es die Menschen in das Rampenlicht?
Nicole Wilms: Jeder will ein Stück vom Kuchen. Es wird suggeriert – „Bist Du berühmt, bist Du reich…“ Die Leute sind komplett schmerz- und schamfrei geworden.
Sebastian Buchinger: Absolut richtig. Dass für viele Menschen das Fernsehen eine Art letzte Chance bedeutet, ist natürlich tragisch…

Durch die bekannten Castingshows haben Sie weniger Bewerber für die Vermarktung bekommen?
Sebastian Buchinger:
Wir können uns über zu wenig Bewerber nicht beklagen. Wir bekommen mehrere Bewerbungen pro Woche und kommen mit dem Sichten des Materials teils nur schwer hinterher. Castingshows bringen in der Regel auch nicht die Künstler hervor, die wir vermarkten wollen.
Nicole Wilms: Genau, wir sehen uns da eher in der Besetzung der Positionen Moderation, Jury oder prominente Gäste.

Apropos Vermarktung: Mit der Karriere kommen auch die unzähligen Fans hinzu, die einem Akteur Zeit und Nerven stehen können. Gibt es Leute, die sich die Normalität zurückwünschen oder ist die gegenwärtige Situation in Deutschland nicht so wie in Amerika? Bei großen Hollywood-Stars werden die Villen belagert und Papazzies folgen den Schauspielern auf Schritt und Tritt.
Nicole Wilms:
Nein, unsere Klienten sind alle recht bodenständig. Keiner hat ein Problem damit mal ein paar Autogramme zu geben. Im Gegenteil, sie freuen sich darüber… Deutschland ist da glücklicherweise auch anders als die USA.
Sebastian Buchinger: Unsere Klienten haben eben nette Fans!

Vor 30 Jahren hatte Deutschland nur zwei Hauptprogramme – Reichweiten von über 20 Millionen Zuschauer waren üblich. Kann man überhaupt noch ähnlich bekannt werden wie damals Thomas Gottschalk?
Sebastian Buchinger:
Ja, es ist nur aufwendiger und kostet wesentlich mehr Energie. Es gibt ja nicht nur viel mehr Sender, es gibt auch viel mehr Zeitungen und Zeitschriften. Und natürlich das Internet!
Nicole Wilms: Man kann zwar von heute auf morgen berühmt werden, allerdings ist das „Berühmt-Bleiben“ heute viel, viel schwerer aufgrund der Vielzahl an Medien. Man muss immer wieder neue Geschichten erzählen, um „talk of the town“ zu bleiben.

Die Fernsehstationen von ProSiebenSat.1, also ProSieben, Sat.1 und kabel eins, haben in den vergangenen Jahren einige moderierte Formate abgesetzt. RTL hingegen setzt auf verlässliche Gesichter, bei MTV/VIVA gibt es kaum neue Produktionen. Spüren Sie diesen Trend auch bei der Vermittlung von Ihren Kunden?
Nicole Wilms:
Ja und nein. Es ist schwierig gute Jobs für Klienten zu finden. Aber wir nehmen auch nur Leute unter Vertrag bei denen wir eine Zukunftsperspektive sehen, an die wir glauben können.
Sebastian Buchinger: Bei uns verdienen die Klienten Geld und darauf sind wir auch sehr stolz.

Die Anstalten der ARD und das ZDF bauen vor allem im digitalen Bereich deutlich aus. Glauben Sie, dass Ihre Agentur und Ihre Mitbewerber durch die öffentlich-rechtliche Hand derzeit und auch in Zukunft das Aushängeschild von non-fiktionalen Formaten ist?
Sebastian Buchinger: Die Sendervielfalt spielt uns zum einen in die Hand, weil es wieder mehr moderierte Formate oder Formate mit Promi-Gästen gibt. Davon profitieren wir schon heute.
Nicole Wilms: Problematisch ist natürlich, dass es viel mehr Sender, aber im Grunde weniger zu verteilendes Geld gibt… D.h. Moderationsjobs werden deutlich schlechter bezahlt als noch vor zehn Jahren. Auch das ist natürlich der Senderdiversifikation geschuldet. Man muss sich vorstellen, dass der Kuchen der gleiche ist, die verteilten Stücke sind nur etwas kleiner geworden…

Sie haben Frauke Ludowig und Kai Ebel im Künstler-Bereich unter Vertrag. Wie kommen Sie zu solchen Mandaten? Wird Ihre Agentur BWM ausgewählt oder sprechen Sie die Leute direkt an?
Nicole Wilms:
Das ist ganz unterschiedlich. Bei den genannten Klienten haben wir akquiriert, weil wir ihre Profile interessant fanden. Aber wir gehen natürlich auch hin und suchen explizit z.B. nach der blonden Nachwuchsmoderatorin mit journalistischer Ausbildung…
Sebastian Buchinger: Was man sagen kann ist, dass wir in unseren Anfängen natürlich viel mehr akquiriert haben. Glücklicherweise hat sich das Blatt gedreht und viele potentielle Klienten sprechen uns nun von selbst an. Das läuft dann über Empfehlungen oder weil z.B. ein Nachwuchsmoderator wie Jochen Schropp seinen Durchbruch hat.

Roseanne, Al Bundy, Grissom, Dr. House, Horatio Caine – das sind markante Figuren, die man sich über Jahre einprägt. Warum werden vor allem in Deutschland lieber schöne als einprägsame Menschen gecastet?
Sebastian Buchinger: Das liegt wahrscheinlich an den zahlreichen Marktforschungen, die die deutschen Sender immer durchführen lassen. Die haben ja schon so manch schönes Projekt bereits vor dem Start auf Eis gelegt. Es entspricht aber wahrscheinlich auch der deutschen Sehgewohnheit. Ich denke aber, das Blatt dreht sich wieder…
Nicole Wilms: Aber Sie haben natürlich recht. Wenn man sich unsere Seite www.bwm-com.com ansieht, sieht man fast nur attraktive Menschen (lächelt). Man muss aber natürlich auch sagen, dass Sie von Schauspielern sprechen, wir aber überwiegend Moderatoren und einige sog. Specials unter Vertrag haben. Viele deutsche Schauspieler sind ja nun auch eher markant als attraktiv.

Sie vertreten überwiegend Frauen, viel weniger Männer. Ist es für Frauen einfacher, in der Fernseh- und Kinowelt Fuß zu fassen?
Nicole Wilms:
Das ist leider eine vollkommen richtige Feststellung. Unsere männlichen Vertragsklienten laufen zwar alle gut, dennoch sind wir immer auf der Suche nach starken, männlichen Gesichtern.
Sebastian Buchinger: Ja, sehr interessant, dass ausgerechnet bei uns die Frauenquote mal umgekehrt in Schieflage ist… Also, wir freuen uns auf zahlreiche Bewerbungen von männlichen Hosts!

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