Schlüter sieht's

«Schlüter sieht's»: Ende von Rach & Co?

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Die Quoten bekannter Dokus gehen zurück, neue Formate floppen. Droht das Ende des Doku-Trends?

Jahrelang galten Reality-Dokusoaps als eierlegende Wollmilchsau für die Fernsehproduzenten und die TV-Sender. Formate wie «Die Super Nanny», «Rach, der Restauranttester», «Raus aus den Schulden» oder «Frauentausch» sind im Gegensatz zu anderen Fernseprogrammen in der Primetime vergleichsweise günstig zu produzieren und erreichen oft starke Zuschauerzahlen oder zumindest solche, die das Programm schnell profitabel machen. Doch in letzter Zeit gehen die Einschaltquoten im Dokusoap-Genre, das für den wohl einflussreichsten und wichtigsten Trend des vergangenen TV-Jahrzehnts steht, zurück. Müssen die Sender bald auf andere kostengünstige Abendprogramme setzen?

Zunächst einmal haben es besonders neue Dokusoap-Formate schwer, große Zuschauerhits zu werden. Die erfolgreichsten solcher Sendungen stammen von RTL – und fast alle wurden zunächst am Sonntagvorabend nach 19.00 Uhr gesendet, bevor sie aufgrund phänomenaler Quoten ins Abendprogramm gehievt wurden. So geschehen u.a. bei «Rach, der Restauranttester» und «Bauer sucht Frau». Auch die erste Folge der «Super Nanny» wurde um 19.10 Uhr getestet. Gerade letztere Sendung steht für die Erkenntnis, dass die Zuschauer vielleicht schon bald genug haben könnten von Testern, Erziehern und Verkupplern. Die letzte Staffel erreichte mit 16,7 Prozent die schwächsten Marktanteile seit Start. Zu den besten Zeiten begeisterten sich durchschnittlich über 20 Prozent der Werberelevanten mit stillen Treppen und Wuthöhlen.

Auch das im Anschluss an die «Super Nanny» ausgestrahlte «Raus aus den Schulden» verzeichnete mit 19,3 Prozent im Staffeldurchschnitt 2009 einen neuen Tiefstwert, auch wenn die Marktanteile hier noch deutlich im grünen Bereich liegen. Die neuen 2010er-Folgen von «Rach» können ebenfalls nicht an die extravaganten Topwerte früherer Staffeln anknüpfen. Erreichte man im Herbst 2009 noch 23,1 Prozent der 14- bis 49-Jährigen, waren es in diesem Jahr noch 21,3 Prozent. Weiterhin bewegt sich aktuell «Teenager außer Kontrolle» am Mittwoch unter dem Senderschnitt. Und selbst «Die Ausreißer» musste nach den Quotengarant «DSDS» die schwächsten Zuschauerzahlen aller Staffeln hinnehmen, obwohl «DSDS» gegenüber den letzten Jahren zulegen konnte. Fest steht, dass der Zuschauerrückgang bei all diesen traditionellen Pionieren der Primetime-Dokusoaps auftritt und damit ein ganzheitliches Problem des Genres ist, nicht nur von einzelnen Formaten.

Abgesehen von diesen traditionellen Quotenrennern können auch keine neuen Dokusoaps langfristig Fuß fassen: Sat.1 probierte sich zuletzt am Montagabend mit Sendungen wie «Die Super Lehrer» und «Jugendcoach Oliver Lück», doch die Marktanteile waren verheerend. RTL II setzt – als frühere Kollektiv-Abspielstation von solchen Formaten – zunehmend auf Shows und verabschiedet sich ebenfalls still und leise vom Genre der mehr oder minder wahren Alltagsgeschichten. Und selbst RTL hat zuletzt mit neuen Sendungen wie «Der Hotelinspektor», «Unser neues Zuhause», «Papa gesucht» oder dem kontroversen «Erwachsen auf Probe» nicht mehr an die alten Erfolge anknüpfen können, sondern teilweise sogar Flops gelandet.

Womit kann der Zuschauerrückgang bei den Primetime-Dokusoaps zusammenhängen? Die Antwort ist möglicherweise im Nachmittagsprogramm der privaten Fernsehsender zu finden. Dort werden nun seit einigen Jahren – mit dem Start der Fake-Dokus «Verdachtsfälle» und «Familien im Brennpunkt» aber erst verstärkt seit 2009 – ebenfalls Doku-Geschichten erzählt. Ein Großteil des Nachmittagsprogramms von RTL und ProSieben wird von diesem Genre eingenommen. Auch wenn diese Sendungen nur indirekt mit den Test- und Kuppelsendungen aus dem Abendprogramm zu tun haben, so ändern sich das grundsätzliche Genre mit seiner immergleichen Erzählweise und dem spezifischen Aufbau der Sendungen nicht. Der Überdruss an Dokusoaps könnte also ein hausgemachtes Problem der Sender sein. Und diese damit womöglich bald zum Handeln zwingen. Denn dann braucht es ein neues Genre, das einerseits sehr kostengünstig produzierbar ist und andererseits den Geschmack der breiten Masse trifft.

Jan Schlüters Branchenkommentar beleuchtet das TV-Business von einer etwas anderen Seite und gibt neue Denkanstöße, um die Fernsehwelt ein wenig klarer zu sehen. Eine neue Ausgabe gibt es jeden Donnerstag nur auf Quotenmeter.de.

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