Die Kritiker

Die Kino-Kritiker: «Surrogates - Mein zweites Ich»

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2017: Die Menschen interagieren mit ihrer Umwelt nur noch durch so genannte Surrogates. Als eine neue Waffe auftaucht, die Roboter und Nutzer gleichzeitig töten kann, macht sich Bruce Willis als FBI-Agent auf, um diesen gefährlichen Fall zu lösen.

Second Life, World of Warcraft und Konsorten: Ganze Parallelwelten lassen sich ohne jeglichen körperlichen Aufwand erforschen. Anders als bei klassischen Videospielen steht hier das Spielziel im Hintergrund. Es ist das Schlüpfen in einen anderen, besseren Körper und die Interaktion mit anderen Menschen, die hier viele in ihren Bann zieht.

Aber was ist, wenn eine neue Erfindung es ermöglicht, sein ganzes Leben wie ein Online-Rollenspiel zu verleben? Nie wieder die sicheren und anheimelnden eigenen vier Wände verlassen, nie wieder Schmerzen empfinden, dafür selbstbewusst mit einem nicht alternden anderem Ich durchs Leben spazieren. Dies ermöglicht in der nicht fernen Zukunftswelt von «Surrogates - Mein zweites Ich» eine Erfindung namens “Surrogate”, auch “Surrie” genannt, ein per Gedanken gesteuerter Roboter-Avatar. Im Jahr 2017 nutzt beinahe die gesamte Menschheit ihre maschinellen Duplikate, die Gegner dieser Technologie leben abgegrenzt in Ghettos.
Eines Abends passiert das, was niemand in dieser schönen, neuen Welt gänzlich ohne Kriminalität für möglich hielt: Im Hinterhof einer Disco werden zwei Surrogates ermordet. Normalerweise wäre solche Sachbeschädigung lediglich etwas ärgerlich und der Besitzer des Surries müsste ein paar Tage allein mit seiner fleischlichen Hülle auskommen, bevor er ein neues Modell erhält. Doch die hochmoderne Waffe, mit der diese zwei Surrogates zerstört wurden besitzt eine so gewaltige Kraft, dass der Benutzers des Surries ebenfalls tödlich verletzt wird.
Die FBI-Agenten Tom Greer (Bruce Willis) und Agent Peters (Radha Mitchell) können während ihrer Ermittlungen in Erfahrung bringen, dass eines der zwei Opfer der Sohn von Dr. Lionel Canter (James Cromwell), dem Erfinder der Surrogates, ist, was Greer an eine Verschwörung glauben lässt. Um den Intrigen hinter dem Mordfall auf die Spur zu kommen, muss Greer zum ersten Mal seit Jahren in Persona aus dem Haus und als Mensch aus Fleisch und Blut ermitteln.

Das Konzept, mit dem in «Surrogates - Mein zweites Ich» Kritik am Internet vermittelt wird, ist ein sehr interessantes. Zukunftsvisionen, in denen die Welt von Maschinen überrannt wird oder Menschen nur noch durch eine virtuelle Konsole leben gibt es wie Sand am Meer, trotzdem vermochten es die Autoren Michael Ferris und John D. Brancato eine in dieser Form noch nicht gesehene Schreckensvision zu entwerfen, die zum Denken anregt. Im Vergleich mit anderen hoch budgetierten Sci-Fi-Actionthrillern der letzten Jahre gönnt «Surrogates - Mein zweites Ich» der kritischen Abhandlung seines Basiskonzepts recht viel Zeit, eine wirklich anspruchsvolle Erörterung darf man dennoch nicht erwarten. Dafür konzentriert sich der Film zu stark auf seine dramaturgisch handfest erarbeitete Kriminalgeschichte.
Um die durch die Surrogates entstandene Künstlichkeit und Entfremdung darzustellen, verwendet Regisseur Jonathan Mostow («Terminator 3 – Rebellion der Maschinen») in dieser Graphic-Novel-Verfilmung zahlreiche Weichzeichner und lässt die Darsteller künstlich überschminkt in überbeleuchteter Szenerie hölzern agieren, was die von Robotern bevölkerte Welt irritierend und beklemmend wirken lässt. Dass die Surrogates beispielsweise ihre Schultern schlaff herunterhängen lassen und Tom Greers Surrogate Bruce Willis mit einer peinlichen, schlecht sitzenden Firsur zeigt, ist wirklich effektiv und trägt zur unwohlen Atmosphäre der übertechnisierten Welt bei. In manchen Szenen jedoch funktioniert dieser Kniff zu gut. Der eine oder andere unterkühlt gespielte Dialog reißt den Zuschauer aus dem Film und rückt «Surrogates - Mein zweites Ich» für einige Sekunden zu nah an mit tatsächlich emotionslos spielenden C-Schauspielern besetzte Sci-Fi-Filme.
Eine ähnliche Inkonsequenz zeigt sich auf technischer Ebene: Insgesamt ist die Action-Dystopie auf handwerklich sehr solidem Niveau, doch hin und wieder rutschte ein schlechter Greenscreen-Effekt oder ein Haar sträubend computeranimiertes Auto in den finalen Film.

Wer bei der Kombination aus Bruce Willis und Jonathan Mostow ein explosives Action-Feuerwerk erwartete, wird das Kino möglicherweise enttäuscht verlassen. Der Actionanteil beschränkt sich auf das von der Genrekonvention geforderte Mindestmaß und ist obendrein recht starr in Szene gesetzt. Die Spannung in «Surrogates - Mein zweites Ich» generiert sich viel mehr aus dem Netz aus Intrigen, welches sich während der Ermittlungen Tom Greers Stück für Stück offenbart und die Interaktion der wenigen Menschen mit den künstlichen Surrogates. Leider gibt es von diesen spannenden Szenen zu wenige, weshalb «Surrogates - Mein zweites Ich» wegen dieser und der zuvor genannten Schwächen hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt. Dank der anregenden Ursprungsidee und einem sehr soliden Bruce Willis kann sich der Film trotzdem ins gute Genre-Mittelmaß hineinretten.

«Surrogates - Mein zweites Ich» ist seit dem 21. Januar in vielen deutschen kinos zu sehen.

Kurz-URL: qmde.de/39761
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