Die Kritiker

Die Kino-Kritiker: «Wo die wilden Kerle wohnen»

von
Basierend auf dem Kinderbuch von Autor Maurice Sendak schuf Spike Jonze ein entschieden facettenreiches Werk.

Das Konzept hinter «Wo die wilden Kerle wohnen», im Original «Where the Wild Things Are», war gezwungen eine lange und beschwerliche Reise zu überdauern. Dabei ist sowohl vom ursprünglichen Kinderbuch, als auch der Vision eines Filmes die Rede. Angefangen hat es mit einem Mann namens Maurice Sendak, der seit seiner Kindheit Illustrator von Büchern werden zu gedachte – Doch sein Stil, seine Ideen und der in diesen verankerte Realismus, sowie Gewaltpegel stießen anfangs nur auf Kritik und Ablehnung. Letztlich erschien im Jahre 1963 dennoch das Buch «Where the Wild Things Are», das Maurice' „tapferste und liebste Schöpfung“ Max zum Protagonisten hatte. In Großbrittanien avancierte die Lektüre, die lediglich 333 Wörter umfasst, zu einem wahren Hit und gewann im folgenden Jahr die Caldecott Medal.

In den 80ern keimte die Vorstellung eines animierten Filmes im Rahmen der Disney Studios auf. John Lasseter, der heute der kreative Kopf hinter Pixar und Disney ist, was diese Art von Werken betrifft, kreierte mit Glen Keane gar einen Testfilm, doch das Projekt wurde fallen gelassen. Vor knapp 9 Jahren, im Jahre 2001, erwarb Universal die Rechte an einer Buch-Adaption und überließ Eric Goldberg (Supervising Animator bei «Küss den Forsch») vorerst das Ruder. Nur 24 Monate später entschloss man sich für ein live-action Konzept und Spike Jonze, der unter anderem «Being John Malkovich» in Szene setzte, übernahm den Stuhl der Regie. Unter seiner Leitung entstand ein zuerst womöglich befremdlicher Film, der durch Aufrichtigkeit, große Schauspielkunst und eine interessante Geschichte überzeugen kann.

Max (Max Records) ist auf der Suche nach Abenteuern und Aufmerksamkeit. Da seine Schwester sich allerdings nicht für ihn interessiert und Mutter Connie (Catherine Keener) eine Menge Arbeit verrichten muss und sich deshalb in ihrer Freizeit bevorzugt ihrem neuen Freund (Mark Ruffalo) widmet, bleibt Max lediglich seine große Imaginationsgabe, die ihn nach einem Streit mit seiner Mutter, in dunke, tiefe Gewässer führt. Mit seinem geliebten Wolfskostüm gekleidet, führt Max sein Boot durch den heftigen Sturm und strandet schließlich auf einer Insel, die die Heimat einiger, seltsamer Wesen bildet, die sich ebenfalls in einem hitzigen Konflikt befinden. Max unterbricht die Szenerie und gaukelt den Riesen anschließend vor, ein König zu sein, der mit unfassbaren Fähigkeiten ausgestattet ist. Nach Momenten des Zweifelns erkennen ihn die Geschöpfe als solchen an und lauschen seinen Befehlen. Max ist König. Er hat so einiges vor. Doch nicht alles läuft nach Plan.

Eine durch und durch simple Story, immerhin handelt es sich auch um ein Kinderbuch, das mit etwa zehn Sätzen auskommt und überwiegend durch die liebenswürdigen Bilder und die Vorstellungskraft des Lesers besticht. Ebenso einfach und plötzlich wird der Zuschauer in die Welt von Max geworfen – Ein Charakter, grandios verkörpert vom äußerst talentierten und noch sehr jungen Max Records, der sofort sympathisch ist und dem Betrachter fest ans Herz wächst. Seine Einsamkeit versucht der kleine Junge durch alterstypische Einbildungen zu umgehen: Aus einer Schneehöhle wird eine undurchdringbare Festung, aus dem Boden seiners Zimmers schädliche Lava. Es wird keine Zeit verschenkt, jede Szene wirkt nötig und richtig, bis Max nach bereits knapp 18 Minuten auf der bewohnten Insel landet und auf Carol & Co. trifft. Was die Darstellung dieser Kreaturen anbelangt, so gibt es prinzipiell nichts zu bemängeln. Schauspieler schlüpften in außergewöhnliche Kostüme, deren Äußeres den Zeichnungen des Buches sehr ähnlich ist. Gesichtsausdrücke wurden im Nachhinein am Computer verfeinert, Akteure wie James Gandolfini («The Sopranos»), Lauren Ambrose («Six Feet Under») und Forest Whitaker («Der letzte König von Schottland») liehen den Wesen, die keine Sekunde lächerlich oder irreal wirken, ihre Stimmen.

Die Ausarbeitung dieser Figuren erfolgte offensichtlich sehr bedachtsam und gelang in vollem Maße: Da gibt es beispielweise Judith, die ständig alles anzweifelt und ins Negative zieht und Alexander, dessen Gestalt einer Ziege ähnelt und der ständig nervös und und für die Anderen uninteressant erscheint. Carol ist das Wesen, mit dem Max sofort Freundschaft schließt und sich bestens versteht, bis es zum Bruch zwischen den Beiden kommt, als erstgenannter die wahre Natur des jungen Menschen erkennt. Interessant für das Publikum ist es zu sehen, was für die Figuren des Werkes selbst nicht sichtbar ist. Alle haben die Züge Heranwachsender, besitzen jedoch andere Möglichkeiten und freieres Umfeld, wodurch sie diese einzigartige Famile bilden, die Max gesucht hat. Carol ist dem Ankömmling dabei am ähnlichsten – Ebenso strebend nach bedingungsloser Liebe, Verständnis und dem höheren Ziel, das ihm und den Seinen die Furcht nimmt, die sie durchdringt. Doch er, der von Anfang an daran glaubte, dass Max etwas Besonderes ist, muss erfahren, dass der angebliche König gelogen hat, was zu den traurigen, aber keineswegs minder interessanten Sequenzen führt, die schlussendlich zu einem untypischen, großartigem Ende führt.

Was sehr viel zur visuellen Gestaltung des Filmes beiträgt, ist die markante Musik, die die unzähligen emotionsgeladenen Szenen, auch bezüglich der Trailer, so sehenswert macht. Der Soundtrack wurde von Karen O, der Ex-Freundin Jonzes geschrieben, die Sängerin der Band Yeah Yeah Yeahs ist. Mit ihren Bandkollegen und anderen Künstlern wie Jack Lawrence (The Racounters) wurden mehrere Songs eingespielt. Die Single „All is Love“ wurde bereits für den Grammy Award nominiert.

Fazit: Eigentlich lässt sich nicht all zu viel über «Where the Wild Things Are» sagen. Der Film basiert auf einem Kinderbuch, spricht Erwachsene jedoch genauso, wenn nicht sogar mehr an, als die denkbare Zielgruppe. Ein Fehler kann gemacht werden, geht man mit falschen Erwartungen an das Werk heran. Betrachtet man es als kurzweilige und zweifellos charmante Unterhaltung, die begeistern und zum Denken anregen kann, wird man kaum enttäuscht werden. Dies ist kein animiertes Superkino oder ein kinderfreundlicher, stupider Krawallfilm. Es ist eine verdammt gut erzählte Geschichte mit sowohl hellen, als auch dunklen Tönen. Nicht mehr und nicht weniger.

«Wo die wilden Kerle wohnen» ist in vielen deutschen Kinos zu sehen.

Kurz-URL: qmde.de/39171
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