Die Kino-Kritiker

«2012»

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Sie trugen Namen wie «Twister», «Dante’s Peak», «Armageddon» oder «Deep Impact»: Katastrophenfilme waren in den 90er Jahren en vogue. Jetzt kommt der neue Katastrophenfilm von Roland Emmerich: «2012».

Sie trugen Namen wie «Twister», «Dante’s Peak», «Armageddon» oder «Deep Impact»: Katastrophenfilme waren in den 90er Jahren en vogue. Städte wurden zerstört und im Kino war genauso oft vom drohenden Weltuntergang die Rede wie außerhalb der Lichtspielhäuser. Die Jahrtausendwende nahte und Dutzende von apokalyptischen Prophezeiungen gaben sich die Klinke in die Hand. Da war es nicht verwunderlich, dass Hollywood diese Manie auf die Leinwand bannte, auch wenn sich nur wenige Filme explizit mit der Milleniumsangst beschäftigten.

Langsam nähert sich das nächste Eckdatum für alle Weltuntergangsjünger: 2012 endet der Mayakalender, was der eine oder andere als Anzeichen dafür nimmt, dass unsere Tage bald gezählt sein könnten. Ganz so verbreitet wie die Angst vor dem Wechsel ins neue Jahrtausend ist die Angst vor dem Jahre 2012 allerdings nicht und so bleiben, zumindest bis jetzt, die medienwirksamen Panikausbrüche aus. Mit ihnen lassen sich auch die nennenswerten Weltuntergänge vermissen, doch Regisseur Roland Emmerich verschafft dem Abhilfe. Der Spezialist für laute und wuchtige Effektgewitter (er drehte bereits «Independence Day», «Godzilla» und «The Day After Tomorrow») nimmt sich erneut dem Katastrophengenre an und liefert mit «2012» den Film zum Ende des Mayakalenders ab.

Roland Emmerichs Katastrophenepos beginnt bereits im Jahr 2009, als in einer indischen Kupfermine Wissenschaftler ein beunruhigendes Phänomen entdeckten: Durch verstärkte Sonneneruptionen steigt die Temperatur des Erdkerns drastisch an, was Berechnungen zu Folge im Jahr 2012 dazu führen wird, dass die Erdkruste schmilzt, was schwere Erdbeben und Tsunamis nach sich ziehen wird.

Daraufhin springt die Erzählung ins Jahr 2012. Der gescheiterte Sci-Fi-Schriftsteller Jackson Curtis (gespielt von John Cusack) verdingt sich mittlerweile als Chauffeur, während seine Ex-Frau Kate (Amanda Peet) mit einem Schönheitschirurgen (Thomas McCarthy) zusammenlebt. Um wieder Zeit mit seinen bei ihrer Mutter aufwachsenden Kindern verbringen zu können, plant Jackson einen Urlaub im Yellowstone National Park. Dort angekommen muss er jedoch feststellen, dass das gesamte Gebiet gesperrt wurde. Außerdem begegnen sie dem exzentrischen Verschwörungstheoretiker Charlie Frost (Woody Harrelson), der die nahende Apokalypse predigt und der Regierung bezüglich der Berichterstattung über die sich häufenden Naturkatastrophen Heuchelei vorwirft.

Die grobe Richtung, die «2012» im weiteren Verlauf der Handlung einnimmt, sollte dem geneigten Kinogänger bekannt sein. Darüber muss nicht einmal geklagt werden – ein Katastrophenfilm über den Untergang der Welt, der auf spektakuläre Zerstörungssequenzen und vor dem unabwendbarem Unheil fliehende Hauptcharaktere verzichtet, wäre nicht etwa einfallsreich, sondern eine gewaltige Mogelpackung. Sie würde möglicherweise das eine oder andere Kritikerherz für sich gewinnen, das eigentliche Kinopublikum allerdings würde revoltieren.

Und so hakt Roland Emmerich in seinem neusten Spektakel natürlich und zur Freude der auf opulente Schauwerte wartenden Kinobesucher die wichtigsten Klischees (oder sind es Konventionen?) dieses Subgenres ab. Erfreulicherweise wandelt «2012» das Schema hin und wieder ab und kann neben einigen weit vorhersagbaren Stellen ebenso mit ein paar kleineren Überraschungen aufwarten. Am spannendsten dürften dabei die Reaktionen auf die ausführliche Zerstörungssequenz in Kalifornien ausfallen. In diesem Teil des Films manövriert sich Roland Emmerich nämlich mit Vollgas auf die scharfe Grenze zwischen Selbstironie und Lächerlichkeit: Die Natur reagiert wie auf’s Stichwort und liefert die sich überdeutlich ankündigenden Pointen auf den so eben gefallenen Dialog. Zwei Figuren sprechen über die Distanz zwischen ihnen, und schon breitet sich dank eines Erdbebens ein gewaltiger Graben auf. An dieser Stelle muss sich der Zuschauer, sofern er seinen inneren Filmkritiker nicht bereits zu Gunsten von rund 160 Minuten unbeschwerter Unterhaltung an der Kinokasse abgab, entscheiden, ob er solche Einlagen albern finden soll, oder ob er Emmerich eine parodistische Intention zutrauen möchte.

Sofern man denn guten Willen zeigt, wird man in der ersten Hälfte von «2012» mit handwerklich sehr gut gemachter Zerstörungsunterhaltung entlohnt, die besonders in der oben angesprochenen Szene einer außerordentlich kurzweiligen Achterbahnfahrt gleicht. Schade nur, dass die Musik aus der Feder von Harald Kloser und Thomas Wander bei Weitem nicht so elektrisieren kann. Eine wuchtig-schmissige Elektrountermalung wie man sie vom Komponisten Trevor Rabin («Armageddon» , «Das Vermächtnis des geheimen Buches») kennt, hätte wohl besser zu den Bildern gepasst.

Interessanterweise schaltet Emmerich im weiteren Verlauf des Films zwei Gänge zurück. Statt der Schauwerte steht das Schicksal unserer Hauptcharaktere ebenso im Mittelpunkt, wie der geheime Rettungsplan der großen Industrienationen, wie man die Menschheit eventuell vor ihrem Verderben bewahren könnte. Diesem Teil des Filmes geht zwar etwas von der unterhaltsamen Spritzigkeit ab, dafür wird es zunehmend spannender und hinter all der genrebedingten Übertreibung sowie politisch korrekten Schwarz/Weiß-Malerei versteckt sich auch eine interessante Überlegung, wie denn im Fall der Fälle zu operieren wäre. In dieser Phase erreicht «2012» seinen inhaltlich-qualitativen Höhepunkt. Leider verliert sich die ironische Komponente, die noch zu Beginn des Films die Dialoge auflockerte, Emmerichs packende Inszenierung weiß aber zu entschädigen. Selbstverständlich dürfen in dieser Phase die gewichtigen Ansprachen nicht fehlen, und ja, sie erfinden das Rad keineswegs neu, in «2012» sind sie jedoch verhältnismäßig unpathetisch geraten.

Schauspielerisch ist «2012» durchgehend grundsolide. Die eher klein gehaltenen Charaktere lassen ihren Darstellern wenig Spielraum, doch negative Ausrutscher sind nicht ausfindig zu machen. Höchstens über den von Woody Harrelson verkörperten Sonderling lässt sich streiten – er legt seine Figur definitiv over-the-top an, ist allerdings auch sehr spaßig anzusehen.

Fazit: «2012» ist zur Hälfte groß angelegte, anspruchslose Katastrophenaction und zur Hälfte spannendes Hollywood-Abenteuerkino. Die Figuren sind blass, aber gefällig, und die Effekte sind sehr gut gelungen. Wer bisher keinen einzigen Katastrophenfilm mochte, wird auch bei «2012» völlig deplatziert sein, Freunde von «Independence Day» oder «Armageddon» werden dagegen auf ihre Kosten kommen.

«2012» läuft ab sofort in vielen Kinos in der Bundesrepublik.

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