Schlüter sieht's

«Schlüter sieht's»: Schlämmer in Norwegen

von
So müssen Filme aussehen: Kerkelings «Ein Mann, ein Fjord» war hervorragend gemachtes Fernsehen.

Über sieben Millionen Zuschauer waren am Mittwochabend dabei, als Hape Kerkelings neuer Fernsehfilm «Ein Mann, ein Fjord» nach dem gleichnamigen Hörbuch uraufgeführt wurde. Der riesige Erfolg ist berechtigt: Denn nicht nur der eigentliche Film und dessen Inhalt sind großartig - auch die diversen lustigen Viralkampagnen im Internet und das glänzend umgesetzte Drehbuch verdienen Hochachtung. Interessant und paradox zugleich, dass gerade die oft die altbacken wirkende Sendeanstalt ZDF mit einem sehr guten, aber klassischem Film und modernsten Werbemitteln sowohl Jung als auch Alt vor den Fernseher fesseln konnte.

Zunächst begann alles im Jahr 2007 mit einem einfachen Hörbuch, das komplett allein von Hape Kerkeling gesprochen wurde. Als „Spielfilm für die Ohren“ wurde das Produkt angekündigt, und dieses Versprechen wurde gehalten. Die Geschichte um den arbeitslosen, aber doch irgendwie glücklichen Norbert Krabbe, der aus heiterem Himmel ein nach seinem Namen benanntes Fjord in Norwegen gewinnt und nun komplett ohne Geld dort hinreisen will, ist traditionell, fesselnd und doch modern sowie ironisch. Gleich zu Beginn leistet sich Kerkeling eine Parodie auf den Call-In-Sender „9live“, später lässt er sein Alter Ego Horst Schlämmer als intelligent inszenierte Nebenrolle auftreten und verschafft seiner Figur Uschi Blum, einer abgehalfterten Schlagersängerin, ein Comeback nach 14 Jahren Bühnenabstinenz. Letztere war auch Schlüsselfigur einer umfangreichen Werbekampagne des ZDF im Internet: Die Rückkehr von Blum wurde in diversen Comebackvideos und eigenen Internetseiten inszeniert – in den Videos entpuppt sich ihre Rückkehr ins Showbiz als letzte Rettung vor dem finanziellen Ruin. Solch geniale Parodien, die selbstverständlich als Seitenhiebe auf gewisse Dschungelbewohner oder Panel-Teilnehmer zu verstehen sind, schafft nur Kerkeling, und dafür mag ihn jeder. Die Liebe zum Detail erkennt der interessierte Fan auch durch eine eigens hergestellte Website des im Hörbuch erfundenen Hunde-Schlafmittels „Canicalm“.

Der Film selbst ist eine sehr gute Umsetzung des Audiostoffs – es wurden keine großartigen Änderungen der Vorlage durchgeführt; fast immer hielten sich die Darsteller Wort für Wort an das im Hörbuch Gesprochene. Die Besetzung der Personen ist durchweg gut gelungen, besonders Jürgen Tarrach macht als Norbert Krabbe eine gute Figur. Und Kerkeling selber, der in mehreren Nebenrollen kleinere Gastauftritte hat, glänzt besonders als Horst Schlämmer. Ansonsten ist diese Geschichte voller Verwechslungen, zufälliger Bekanntschaften, schicksalshafter Begegnungen und skurriler Ereignisse einfach typisch Kerkeling und erinnert von Inhalt und Aufbau an seine früheren Fernsehfilme aus den 90ern wie «Die Oma ist tot» oder «Club Las Piranjas» – nur dass er diesmal eben nicht die Hauptrolle spielt. Großes Lob gebührt dabei aber natürlich nicht nur ihm, sondern auch Angelo Colagrossi, der Autor von Hörbuch und Film ist. Kerkeling und das ZDF – das war erfolgreiches und gutes Fernsehen. Hoffen wir, dass beide Parteien ihre Zusammenarbeit weiter ausbauen, denn dann erwarten uns als Zuschauer demnächst wieder erfolgreiche und interessante Sendungen unter dem Prädikat „großartig“.

Jan Schlüters Branchenkommentar beleuchtet das TV-Business von einer etwas anderen Seite und gibt ein paar neue Denkanstöße, um die Fernsehwelt ein wenig klarer zu sehen. Eine neue Ausgabe gibt es jeden Freitag nur auf Quotenmeter.de.

Kontakt zum Autor

Kurz-URL: qmde.de/32697
Teile ich auf...
Kontakt
vorheriger ArtikelRTL II verschiebt «Rom»nächster ArtikelSat.1: US-Hit «The Mentalist» beginnt im März

Optionen

Drucken Merken Leserbrief




E-Mail:

Quotenletter   Mo-Fr, 10 Uhr

Abendausgabe   Mo-Fr, 16 Uhr

Datenschutz-Info

Letzte Meldungen

Werbung

Mehr aus diesem Ressort


Jobs » Vollzeit, Teilzeit, Praktika


Surftipp


Surftipps


Werbung