Die Kritiker

«Osfriesenfeuer»: Kein runder Kriminalfall

von

Ann Kathrin Klaasen und Frank Weller heiraten standesamtlich im Norder Teemuseum. Danach geht es zu einem schönen Osterfeuer an den Strand und am anderen Tag werden in dessen Glut die Überreste eines Menschen entdeckt. Die Hochzeitsreise können sich die frisch Vermählten also abschminken.

Stab

Deutschland 2022
BESETZUNG: Picco von Groote, Christian Erdmann, Barnaby Metschurat, Kai Maertens, Marie Schöneburg, Andreas Euler, Patrick von Blume, Tanja Schleiff, Laurids Schürmann,
REGIE: Marcus O. Rosenmüller
DREHBUCH: Marija Erceg
KAMERA: Tobias Schmidt
KOSTÜMME: Sonja Greif
MUSIK: Warner Poland, Wolfgang Glum
TON: Torsten Lenk Klaus Hobby
Zum zweiten Mal stellt Picco von Groote nun die Polizistin Ann Kathrin Klaasen dar. Die inzwischen dritte Darstellerin der Hauptfigur der «Ostfrieslandkrimis» stand mit ihrem ersten Auftritt für den Reload der Reihe. Über der Hauptfigur Ann Kathrin lag immer ein dunkler Schatten. Ann Kathrins Vater starb bei einem Raubüberfall, der nie aufgeklärt werden konnte. Das Nicht-Wissen um die Geschehnisse an dem Tag seines Todes verfolgten die Kommissarin. Im letzten Film mit Picco von Grootes Vorgängerin Julia Jentsch wurde der Fall schließlich aufgeklärt und der Vater, der als Trugbild stets vor ihren Augen erschien, konnte endlich gehen.

„Hauptdarstellerin Picco von Groote mag es einerseits an der Kantigkeit ihrer Vorgängerinnen fehlen“, hieß es in der Kritik zu «Ostfriesenmoor» an dieser Stelle im Februar 2023, „andererseits kann sie sich ganz darauf konzentrieren, Ann Kathrin als Ermittlerin darzustellen und als einen Profi in ihrem Job. Es gibt keine Traumata zu bewältigen, sie erledigt keine Alleingänge, sie wirkt einfach glaubhaft. Trotz der vertrauten Stammbesetzung jenseits der Hauptdarstellerin wirkt ‚Ostfriesenmoor‘ wie ein Neustart. Etwas glatter, etwas weniger kontrovers, aber mit dem Potenzial, die Hauptfigur neu zu definieren.“ Leider wird dieser Neustart, zumindest in Teilen, zurückgedreht. Zwar wirkt die Hochzeit zu Beginn, als würde sich die Serie endgültig von all ihrem Ballast vergangener Tage befreien, bedauerlicherweise aber verfällt der eh nicht sonderlich aufregende Fall bald in alte Muster zurück.

Da ist also der Tote im Feuer. Seine 19 Jahre alte Tochter ist vor einigen Monaten bei einem Unfall ums Leben gekommen. Das hat ihn emotional aus verständlichen Gründen schwer mitgenommen. Wie auch seine Witwe, die offen zugibt, dass sie ihren Mann verachtet hat. Ihre Tochter nämlich war ein Papakind, trotzdem hat Papa die Familie vor einigen Jahren verlassen. Sie war eifersüchtig auf das gute Verhältnis der beiden. Und dann ist ihre Tochter als eine Art Dienstmädchen zu einer neureichen Familie gezogen, die sie ausgenutzt hat. Besagte Familie jedoch sieht das ganz anders. Das Mädchen habe die Zeit im Hause vielmehr genossen. Sie war nicht direkt eine Tochter, aber mehr als eine Haushaltshilfe.

Wirkliche verwertbare Spuren finden Ann Kathrin und Frank Weller bei ihren Ermittlungen nicht. Die Ehefrau könnte vielleicht ein Motiv gehabt haben, aber die Platzierung der Leiche im Feuer deutet eher darauf hin, dass jemand diesen Leichenfund inszeniert hat. Das passt nicht zur Mutter. Eher zu einem Autor, der B-Horrorgeschichten schreibt, ein ziemlicher Unsympath ist und ein Verhältnis mit der Verunglückten hatte. Dass er auch noch von ihr verlassen worden ist, macht ihn nicht gerade zum Unschuldslamm des Tages – wäre er jedoch der Mörder, wäre dies doch etwas arg offensichtlich.

Offensichtlich ist allerdings, dass «Ostfriesenmoor» dann doch kein Neustart war, sondern eher eine Pause von der Schwere, die so oft über der Serie liegt. Auftritt Eike, Ann Kathrins Sohn. Der kannte das tote Mädchen und mochte es. Dass Eike natürlich nichts mit dem Tod direkt zu tun hat, ist klar, sehr wohl aber ahnt man sehr früh, dass Eike vor allem dazu gebraucht wird, um Ann Kathrin persönlich in den Fall zu involvieren, nachdem sie in «Ostfriesenmoor» einmal nur eine Ermittlerin sein durfte. Nein, Ann Kathrin Klaasen braucht offenbar den emotionalen Meltdown. Es ist nämlich leider so, dass der reine Kriminalfall nicht wirklich Funken fliegen lassen will. TV-Routinier Marcus O. Rosenmüller liefert die verlangten Bilder ab. Für die Atmosphäre in bisschen Nordic Noir hier, ein zweiter Mord da, die Story verläuft in erwartbaren Bahnen und dann ist der Fall auch schon gelöst. Das Problem besteht darin, dass das alles letztlich so vorhersehbar ist, dass sich mit dieser Mordsgeschichte keine 90 Minuten Handlung füllen lassen. Also braucht es einen persönlichen Touch, ein Momentum, das über den reinen Ermittlungsakt hinausgeht. Wofür wiederum Eike benötigt wird. Das wiederum führt zu einer extremen Belastung der Ann Kathrin, lässt sie nicht unbedingt rational agieren und schindet die Spielzeit, die es braucht, um auf Spielfilmlänge zu kommen.

«Ostfriesenfeuer» wirkt nie wirklich rund. Der Kriminalfall ist simpel, die emotionale Extremsituation der Hauptfigur ist ein Zeitschinder. Dieses Feuer ist eher eine wenig zündende Angelegenheit.

Am Samstag, 27. Mai 2023, ZDF

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