Die Kritiker

«Tatort - Rache an der Welt»

von

Ein Flüchtling als Mörder? Oder war es doch der Wikinger? Der neue «Tatort» fasst so manches heiße Eisen an.

Stab

Darsteller: Maria Furtwängler, Florence Kasumba, Mala Emde, Sascha Alexander Gersak, Leonard Carow, Eidin Jalali
Musik: Carsten Meyer
Kamera: Patrick Orth
Drehbuch: Daniel Nocke
Regie: Stefan Krohmer
In Niedersachsen geht der Wikinger um. So nennen sie mittlerweile den seltsamen Mann, der Frauen auflauert, an einer unbelebten Haltestelle oder in der Innenstadt, ihnen dann einen Dolch zeigt, sie an abgelegene Orte nötigt und dort zu sexuellen Handlungen zwingt. Vergewaltigt oder ermordet hat er noch keines seiner Opfer. Bis jetzt zumindest. Denn nun ist die Leiche einer jungen Frau an einer Waldlichtung aufgetaucht. Gefunden hat sie ein Passant, dem aufgefallen ist, wie ein Mann mit arabischem Aussehen schnell auf seinem Fahrrad vom Fundort weggefahren ist – was weder zum nordeuropäischen Aussehen des Wikingers passt noch zu seinem Täterprofil.

Dass das Opfer sich in der Flüchtlingshilfe engagiert hat, ist für Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) ein erster Hinweis auf einen möglichen Täterkreis. Quatsch, meint ihre Kollegin Anais Schmitz (Florence Kasumba), schließlich geht ja gerade der Wikinger um, wegen dem sich viele Frauen aus der Stadt schon gar nicht mehr allein auf die Straße trauen. Der wird es schon gewesen sein.

Lindholm zieht es doch zuerst einmal zum nahegelegenen Fußballplatz, wo Flüchtlinge aus dem Nahen Osten und Afrika gerade an einem Weltrekord arbeiten. Dauerfußball, 7 Tage ununterbrochen. Den Fußballplatz, der unweit des Fundorts der Leiche liegt, darf währenddessen keiner der Spieler verlassen. Aber die Umzäunung ist durchlässiger, als es die Veranstalter haben wollen, wie Lindholm wenig später feststellt, als sie einen der Spieler auf einmal in der Stadt antrifft, während das Spiel noch läuft. Die Verfolgungsjagd endet ergebnislos, denn Lindholm wird von Männern mit Migrationshintergrund und Machogehabe der Weg blockiert.

Männer mit Migrationshintergrund und Machogehabe, darf man das überhaupt sagen? Diese Frage muss sich auch Charlotte Lindholm gefallen lassen. Und in der Tat dürfte die Gefahr im Raum liegen, diesen «Tatort» in AfD-Nähe zu rücken, weil seine Kommissarinnen auch im Flüchtlingsmilieu ermitteln und dabei auf einige Klischees treffen: zum Beispiel Männer, die aus dem arabischen Raum stammen und Frauen nicht ernst nehmen, auch wenn sie ihnen ihren polizeilichen Dienstausweis vorzeigen.

Kann es dann am Schluss in der Drehbuchlogik überhaupt ein Flüchtling gewesen sein, wenn diesem Film ständig bewusst ist, wie leicht man ihm das, was er zeigt, auch als rassistische Vorurteile auslegen kann? In einer Situation, in der die Emotionen hochkochen, weil sich wieder einmal ein Pulk arabischer Männer Charlotte Lindholm in den Weg stellt, wird schließlich genau dieses Problem thematisiert und Lindholm ein Rassismus-Problem unterstellt, weil sie betont, dass Frauen in unserer Kultur etwas wert sind und auch aggressive Männer hinter Schloss und Riegel bringen können.

In jedem Fall: Ein Film, der hinsieht, auf die Probleme in unserer Gesellschaft (und zwar mehr als eines!), aber am Schluss auch keine Lösungen anzubieten hat, sondern recht viel Ambivalenz – und damit sehr viel richtig macht.

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