Die Kritiker

«Lehrer kann jeder!»

von

Richard lebt von seiner Frau getrennt. Er ist arbeitslos. Sein Leben läuft gerade wahrhaftig nicht rund. Eher zufällig kommt er mit der Direktorin der Schule seiner Tochter ins Gespräch, die verzweifelt nach Lehrkräften sucht. Was Richard auf eine Idee bringt. Er ist Mathematiker. Und Schule kann doch schließlich jeder.

Stab

DARSTELLER: Christoph Maria Herbst, Michael Hanemann, Brigitte Zeh, Kai Lentrodt, Tua El-Fawwal, Virginia Leithäuser, Ramona Kunze-Libnow, Aleander Hörbe, Florian Appelius, Banafshe Hourmazdi, Leo Schinn, Malene Becker
REGIE: Ingo Rasper
BUCH: Marc Terjung
SCHNITT: Bernd Schriever
KAMERA: Andreas Höfer
MUSIK: Andy Groll
«Lehrer kann jeder!» ist harmlos, aber unterhaltsam. Die Geschichte bewegt sich in bekannten Gewässern: In denen aber bewegt sie sich sicher. Am Ende ist «Schule kann jeder!» eh ganz und gar Hauptdarsteller Christoph Maria Herbst auf den Leib geschrieben, der also Dr. Richard Glossart darstellt. Richard ist Mathematiker. Irgendwann vor vielen Jahren hat er einen Mathepreis gewonnen, der eine große Zukunft versprach. Eine Zukunft, die aber nie eingetreten ist, da Richard einfach nie den richtigen Anschluss an ein Forschungsprojekt oder den universitären Forschungsbetrieb gefunden hat. Zuletzt hat er schließlich für eine Versicherung gearbeitet. Die ihn aber gefeuert hat, nachdem er einige Zahlen zugunsten Geschädigter manipuliert hatte.

Nun lebt er in einer heruntergekommenen Bude, das Trennungsjahr läuft und überhaupt: Die Welt hat sich gegen die Intelligenz verschworen. Immerhin ist da seine Tochter Isa, zu der ihn ein inniges Verhältnis pflegt. Daher ärgert er sich mächtig darüber, dass sie im Theaterkurs an ihrer Schule nur ausreichend bewertet wird. Ergo stattet er ihrer Lehrerin am Elternsprechtag einen Besuch ab – der jedoch dramatisch endet. Die Lehrerin bekommt einen Asthmaanfall und Richard, der es mit Menschen nicht unbedingt so hat, muss ihr helfen. Die Geschichte geht glimpflich aus, gleichzeitig aber bekommt Richard den gesamten Frust der Direktorin ab – der die Lehrkräfte ausgehen. Sie werden schwanger, leiden am Burnout, haben einfach keinen Bock mehr. Inzwischen, sagt sie, sei sie an einem Punkt angelangt, an dem sie jeden, der auch nur den Hauch einer Qualifikation mitbringt, einstellen würde...

… was Richard auf eine Idee bringt. Kurzerhand legt er ihr einige Tage später eine Bewerbungsmappe auf den Tisch und bewirbt sich als Quereinsteiger. Und was soll man sagen: Es funktioniert. Richard bekommt eine Chance. Dafür muss er aber an einem Evaluierungsprogramm teilnehmen, für das sich ein ehemaliger Lehrer der Schule verantwortlich zeichnet. Ach ja, eine Kleinigkeit sollte vielleicht noch erwähnt bleiben. Anke, Richards Noch-Ehefrau, ist ebenfalls Lehrerin an der Schule und gar nicht darüber begeistert, dass ihr Mann plötzlich im Lehrerzimmer auftaucht.

Christoph Maria Herbst hat sichtlich Spaß an der Darstellung des Mathematikers, der bereits in seiner ersten Schulstunde feststellen muss, dass es gar nicht so einfach ist, vor einer Klasse zu unterrichten, wenn die meisten Schülerinnen und Schüler keine Lust haben. Könnte es tatsächlich sein, dass ein Lehrer mehr Wissen mitbringen muss als Fachliches? Über fachliches Wissen verfügt Richard ohne Zweifel. Als Lehrer aber steht er nun vor der Herausforderung, eben auch pädagogisch arbeiten zu müssen. Eine Aufgabe, auf die ihn niemand vorbereitet hat.

Niemand?
Das ist so nicht richtig. Seine Ehefrau hat ihm viel aus ihrem Berufsalltag erzählt. Sehr viel sogar. Das Problem: Er hat ihr nie richtig zugehört, denn ernst genommen hat er ihren Beruf nie.
Und dann ist da Friedrich Pizek, der ehemalige Pädagoge, der seine Befähigung als Lehrer bewerten soll. Der wortkarge Pensionär nimmt Richard hart ran. Aber anders, als Richard anfangs gedacht hat. Zunächst nämlich darf Richard erst einmal Friedrichs Garten umpflügen...

«Lehrer kann jeder!» lebt von seiner guten Laune. Die Inszenierung verzichtet auf allzu dramatische Momente im Umfeld des Lehrers. Die Schülerinnen und Schüler von Richards Klasse bewegen sich in der Tradition der Paukerfilme der 1970er Jahre. Sie sind keine jugendlichen Psychopathen, die Richard in den Wahnsinn treiben. Es gibt natürlich Animositäten untereinander, die aber fallen vergleichsweise übersichtlich aus. Auf der anderen Seite spielt Christoph Maria Herbst durchaus zurückgenommen. Hier und da mag tatsächlich mal der eine oder andere «Stromberg»-Moment durchschimmern: Vor allem in Momenten, in denen Richard erst redet und dann denkt. Auf große Fremdschämmomente aber verzichtet die Inszenierung, denn der Humor des Fernsehspiels lebt davon, dass man mit den Figuren lacht – nicht über sie.

Lobenswert sei darüber das Fehlen jeglichen Kitsches zu erwähnen. Anke und Richard gehen – weitestgehend – wie erwachsene Menschen miteinander um. Es kommt nie die Frage auf, warum diese beiden durchaus unterschiedlich ticken Menschen es als Ehepaar recht lange miteinander ausgehalten haben. Hier wird keine Beziehung behauptet. Richard ist, um das klar zu betonen, kein Ekel. Er ist jemand, der von seinen kognitiven Fähigkeiten sehr eingenommen ist. Er ist aber auch ein guter Vater und es besteht nie ein Zweifel daran, dass dieser Richard seine Anke geliebt hat beziehungsweise immer noch liebt. Die Zurückhaltung der Inszenierung, die eben auf allzu lauten Humor verzichtet, macht es leicht, dies so anzunehmen.

In Momenten wie jenen, in denen Richard Friedrichs Garten auf Vordermann bringen muss (ohne den pädagogischen Sinn dahinter zu verstehen), lässt Drehbuchautor Marc Terjung («Edel & Starck», «Danni Lewinski») sein großes Talent für kauzige Charakterzeichnungen durchblicken. Ein Kauz wie Richard kann schließlich nur durch einen Kauz wie Friedrich (großartig: Michael Hanemann) geerdet werden. Es ist schade, dass Terjung ansonsten bei der Figurenzeichnung auf Nummer Sicher geht: Da gibt es den Lehrer, der nur noch auf seine Pensionierung wartet und keinen Bock mehr hat, ... da ist der strebsame Junge, der als Außenseiter nicht gerade zu den beliebtesten Schülern gehört, … da gibt es die coole Göre, die hinter ihrem coolen Auftreten verbirgt, dass sie in Wahrheit hochbegabt ist...). Keine Frage, da wäre mehr drin gewesen, aber darüber lamentieren zu wollen, das wäre ein Jammern auf hohem Niveau. Am Ende nämlich hält die Geschichte ihr zu Anfang gegebenes Versprechen mit Bravour – und das lautet? Einfach 90 Minuten das Publikum humorvoll zu unterhalten.

Am Donnerstag, 8. September 2022, 2015 Uhr, ZDF

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