Die Kritiker

Die Südkoreaner säubern den Weltraum: «Space Sweepers»

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2092. Der Orbit ist von Raumschiffwrackteilen, ausrangierten Satelliten und anderem Müll regelrecht verseucht. Dass Raumfahrt überhaupt möglich ist, ist den Space Sweepers zu verdanken, die den Müll einsammeln. Doch werden diese verwegenen Abenteurer etwa als Helden verehrt? Das Gegenteil ist der Fall. Der Job ist lausig bezahlt und die Müllsammler sind zumeist Outlaws, die ihrer Vergangenheit davonrennen. So wie die Besatzungsmitglieder der Victory – denen eines Tages ein irritierender Fang ins Netz geht.

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REGIE: Sung-hee Jo
DARSTELLER: Song Joong-Ki, Kim Tae-ri, Seon-kyu Jin, Hae-Jin Yoo, Richard Armitage, Ye-Rin Park, Nas Brown, Kevin Dockry, Hyang-gi Kim
SCHNITT: Mira Ha, Na-young Nam
AUSSTATTUNG: Samuel King
Südkorea ist die aufregendste Filmnation auf diesem Planeten. Südkoreanische Filme sind laut, krachend, leise, traurig, albern, anspruchsvoll, romantisch, brutal. Vor allem aber lieben südkoreanische Film das Kino und sind vollgepackt mit Emotionen und dabei technisch brillant. So wie «Space Sweepers», dessen Effektfeuerwerk sich hinter einer vergleichbaren US-Produktion nicht verstecken muss, dabei aber nur einen Bruchteil amerikanischer Budgets verschlungen hat. 25 Millionen Dollar, wird gemunkelt, habe die Produktion an Kosten verschlungen.

Drei Astronauten stellen die Besatzung der Victory. Da ist der junge Tae-ho, der nicht damit klarkommt, seine Adoptivtochter verloren zu haben. Das Kommando führt die stets mies gelaunte Captain Jang, die ihre Vergangenheit vor ihren Crewmitgliedern weitestgehend verborgen hält. Und dann ist da Tiger Park, ein ehemaliger Gangsterboss, der aus den unterschiedlichsten Gründen das karge Leben eines Müllsammlers seinem früheren Leben vorzieht. Sie alle sind Prototypen des südkoreanischen Kinos, das selbst im Rahmen eher lockerer Unterhaltungsfilme – so wie «Space Sweepers» – gebrochene, leidende Charaktere den edlen Helden vorzieht. Nicht ganz zufällig erinnern die drei Weltraumschrottsammler an die Hauptfiguren aus «Alien», der 1979 nicht nur ein heute längst zu ikonischen Ehren gelangtes Monster auf das vollkommen unvorbereitete Publikum losgelassen hat. «Alien» hat ganz nebenbei den klassischen Mythos des Raumfahrerfilms zerstört: so besteht die Besatzung der Nostromo aus Vertragsarbeitern, die den Matrosen eines Containerschiffes gleich, einfach ihren eher mau bezahlten Job ausüben. Der Weltraum – ist eben auch nur ein Raum wie jeder andere. Ein Raum, in dem Tae-ho, Captain Jang und Tiger Park ihren Job ausüben, um irgendwie über die Runden zu kommen. Zwei Vorteile bringen sie in ihren Konkurrenzkampf mit den anderen Müllsammlern ein. Captain Jang ist eine fantastische Pilotin. Und dann ist da noch Bubs, ein Sweatshirt tragender Roboter, der davon träumt, irgendwann einmal eine menschliche Haut aufgetragen zu bekommen. Bubs verfügt über Skills, die beim Einfangen von wertvollen Schrott Gold wert sind. Leider ist Bubs aber auch ziemlich geldgierig und nutzt seine überlegenen Sinne in erster Linie dafür, die anderen Crewmitlieder beim Pokern abzuzocken.

Eines Tages gelingt es der Besatzung der Victory ein besonders wertvolles Wrack aus dem Orbit zu fischen. Ein Wrack, das ihnen eine unerwartete Überraschung beschert, entdecken sie doch in einem Schutzraum ein kleines Mädchen namens Dorothy. Ein Mädchen, das über alle Weltnachrichtensender gesucht wird – denn hinter ihrem menschlichen Antlitz, berichten diese Kanäle, sei Dorothy in Wahrheit eine Androidin, die als Waffe konstruiert worden ist und in sich eine Wasserstoffbombe trägt.

Gut, die Nachricht, dass Dorothy eine tödliche Waffe ist, sorgt erst einmal nicht für Begeisterung. Bald aber schon erkennt Tae-ho das Potenzial dieses Pfundes. Niemand Geringeres als James Sullivan ist hinter dem Kind her. Sullivan ist nicht einfach nur ein Industrieller. Er ist der Industrielle, er ist der reichste, mächtigste Mann auf Erden; seinem Konzern gehört die Erde, er erschafft neue Welten im Orbit, er ist der Mann, der den Mars für die Menschheit zu erschließen gedenkt – für eine paradiesische Zukunft jenseits des verdreckten, heruntergekommenen Molochs, der sich einst Blauer Planet genannt hat. Sullivan will Dorothy – und wenn er Dorothy will, wird er dafür auch einen anständigen Preis bezahlen.

Das einzige Problem ist ausgerechnet der ehemalige Gangster Tiger Park, der einfach nicht glauben will, dass so ein entzückendes, reizendes Kind wie Dorothy eine Bombe sein soll...

«Space Sweepers» macht Laune. Er bietet nicht nur viele Schauwerte, am Ende sind es die wunderbaren Charaktere, die im Gedächtnis bleiben, allen voran Dorothy. Nach und nach wickelt das Kind die Weltraum-Outlaws um ihre Finger – inklusive Bubs, der mehr und mehr schwesterliche Gefühle für die Kleine entwickelt und ganz nebenbei das eigene Geschlecht definiert. Mit der Figur des James Sullivan kreiert die Story darüber hinaus einen fantastischen Gegenspieler der Außenseitercrew. Richard Armitage, Hauptdarsteller der Serie «Berlin Station» und Darsteller des Zwerges Thorin Eichenschild in «Der kleine Hobbit» verkörpert Sullivan als eine Mischung aus Steve Jobs und shakespearesken Finsterling vom Schlage Macbeth oder Richard III. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Armitage konsequent Englisch spricht, wie überhaupt die Kommunikation in verschiedenen Sprachen in dieser Welt als normal dargestellt wird. Französisch, Schwedisch, Russisch: Eine ganze Reihe von Nebenrollen werden von europäischen Schauspielerinnen und Schauspielern verkörpert, die konsequent in ihren Muttersprachen sprechen. Das verleiht der Story ein sehr eigenes Flair, auch wenn man als Zuschauer einiges an Untertiteln mitlesen muss, da nur die südkoreanischen Hauptfiguren für die deutsche Zuschauerschaft synchronisiert worden sind.



Mit 136 Minuten Spielzeit ist «Space Sweepers» allerdings gut eine Viertelstunde zu lang. Gerade im zweiten Akt kommt die Story kurzzeitig aus dem dramaturgischen Tritt und verliert sich zeitweise in Geschwätzigkeit. Das ist zwar gut gemeint, weil diese Geschwätzigkeit dazu dient, den Protagonisten (aber auch ihrem Antagonisten) etwas mehr Tiefe zu verleihen. Nur spannend ist das leider nicht. Dass es anders geht, beweist die Inszenierung der Vorgeschichte von Tiger Park. Sie braucht gerade einmal zwei Szenen, die nur wenige Sekunden Spielzeit umfassen – und doch alles über ihn erzählen, was man wissen muss, um das Wesen dieses Charakters zu verstehen. Glücklicherweise bleibt dies jedoch der einzige Kritikpunkt an diesem ansonsten äußerst unterhaltsamen, herzlichen und nicht zuletzt an Action reichen südkoreanischen Filmspektakel.

«Space Sweepers» kann bei Netflix gestreamt werden.

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