Auch die ProSieben-Formate «Das Ding des Jahres» und «Free Eurovision Song Contest» waren allenfalls zu Beginn ihrer Laufbahn ein Erfolg. «Famemaker» lief ebenfalls nicht berauschend und auch die «TV total»-Neuauflage markierte in diesem Jahr in fünf von sieben Fällen weniger als eine Million werberelevante Zuschauer – einmal davon musste Elton für Pufpaff einspringen, was die Werte etwas verbesserte. Doch wirklich innovativ ist die Sendung nicht. Zu Beginn machte man sich vornehmlich über das öffentlich-rechtliche Fernsehen wie «Wetten, dass…» und diverse Schlagerformate lustig, ehe man in Woche vier bereits das Quizformat „Blamieren oder Kassieren“ aus der Schatulle holte. Wohlgemerkt: «TV total» ist eine Satire/Comedy-Sendung, die einmal wöchentlich um 20:15 Uhr nicht einmal 50 Minuten lang (ohne Werbung) ausgestrahlt wird. Im Dezember belegte man etwa 25 Prozent der Sendezeit mit der Quizrubrik. Auch das öffentlich-rechtliche Fernsehprogramm zeichnet sich durch einen großen Anteil an Quizshows aus, aber das nur am Rande. Hinzu kommt bei «TV total» eine nicht gerade enorme Gagvielfalt. Sowohl bei «Wetten, dass…?», der «Giovanni-Zarrella-Show», einem Münchner Hotel und bei Borussia Dortmund wollte sich Pufpaff mal mehr, mal weniger verkleidet einschleichen und scheiterte jedes Mal kläglich, was die Redaktion nicht davon abhielt den Einspieler dennoch zu zeigen – gerne auch mit einem nahezu komplett verpixelten Bild.
Dass Raab und «TV total» sich trotzdem einiger Beliebtheit erfreuen darf, lässt sich nicht bestreiten. Die Marktanteile bewegen sich weiterhin im klar zweistelligen Bereich, dennoch scheint dies eher die Ausnahme als die Regel für von Raab produzierte Formate zu sein. Und doch schafft es Raab mittlerweile zwei große Privatsender mit seinem Programm zu füllen. Während RTL das Turmspringen „RTLig“ – was auch immer das bedeuten mag – wiederaufleben lassen möchte, setzt ProSieben im Winter auf die Wok-WM. Vorteil für ProSieben: Die Unterföhringer können auf Sebastian Pufpaff zurückgreifen, der Raab am Mittwoch um 20:15 Uhr vergessen gemacht hat – trotz des wöchentlichen „Präsentiert-von-Stefan-Raab“-Disclaimers. RTL wird aller Wahrscheinlichkeit ohne den Comedian auskommen müssen, weswegen vereinzelt schon über das Teilnehmerfeld spekuliert und gespottet wird. Dass es ProSieben eher nicht schmeckt, dass Raab auch für RTL produziert, ließ die Wok-WM-Pressemitteilung am Montag durchblicken, in der man auf Hennig Tewes‘ (RTL-Chef) Aussage aufnahm und eine „natürlich prosiebige“ Sendung versprach. Man könnte auch sagen: An beiden Programmankündigungen lässt sich ablesen, wie kreativ sich derzeit die TV-Branche gibt.
Retro liegt derzeit ohne Zweifel im Trend, aber ob so viel Retro wirklich so beliebt ist, steht auf einem anderen Blatt. Die TV-Branche lässt sich offenbar noch immer von den 14 Millionen «Wetten, dass…?»-Zuschauern und den fast 30 Prozent Marktanteil des «TV Total»-Comebacks blenden. Weder der Reboot von «Geh aufs Ganze» in Sat.1 brachte durchschlagenden Erfolg noch ist derzeit «7 Tage, 7 Köpfe» am Samstagabend besonders quotenstark. Mit «Der Preis ist heiß» und «Die 100.000 Mark Show» hat RTL zudem weitere Nostalgie-Pfeile im Köcher. Während das ZDF «Wetten, dass…?» nicht verheizt, sondern bedächtig auf eine Ausgabe im Jahr setzt, schürt man in Unterföhring und Köln die Programm-Öfen.
Und dabei lacht sich derzeit vor allem einer ins Fäustchen: Stefan Raab. Er schafft es für zwei konkurrierende Medienhäuser zu produzieren, ohne dass er eine große kreative Leistung vollbringen muss. Es scheint derzeit, als würde er seine Giftschränke aufmachen und mehr oder weniger blind ein Format nach dem anderen hervorzaubern und es mit einem Retro-Siegel versehen und es an den nächstbesten Sender zu verscherbeln. Man darf gespannt sein, welchen Bären er RTL oder ProSieben als nächstes Aufbinden wird. Stock Car Crash Challenge – dann vielleicht ja zeitgemäßer mit E-Autos? Oder Eisfußball? Oder doch etwas gediegener mit Poker-Nächten? Ganz egal, was es wird: So manch kreativer Kopf dürfte mit dem Kopf schütteln – auch angesichts grandioser Neustarts wie «Wer stiehlt mir die Show?», das zweifelsfrei zur Überraschung des vergangenen Jahres mutierte und beweist, dass die Menschen nicht ausschließlich nach Retro-Fernsehen dürsten.
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