Die Kritiker

«Der Beschützer»

von

Fiona Weibel, Managerin einer Schweizer Reederei, entgeht in Ägypten nur mit viel Glück einem Mordanschlag. Dieser steht definitiv in Zusammenhang mit illegalen Geschäften, die ihre Firma betreibt. Fiona ist bereit, vor dem Internationalen Seegerichtshof als Kronzeugin gegen ihre Reederei auszusagen. Das BKA übernimmt ihren Schutz.

Stab

DARSTELLER: Tobias Oertel, Marlene Tanczik, Slavko Popadic, Sabrina Amali, Henning Hartmann, Anne Müller, Errol Trotman-Harewood, Stepha Schad, Aziz Dyab, Ali Rasoulzadegan, Shayan Salamaty
REGIE: Philipp Osthus
BUCH: Michael Ehnert (auch Idee), Oke Stielow
KAMERA: Frank Küpper
MUSIK: Maurus Ronner
Das ist die Ausgangssituation von «Der Beschützer», einem Film, der leider nicht überzeugen kann, trotz der durchaus interessanten Hintergrundgeschichte, eines interessanten Hauptdarstellers und einem wirklich krachenden Einstieg. Da ist also Fiona in Port Saïd. Die junge Frau arbeitet als Managerin für eine Schweizer Reederei, in der sie einen für ihr Alter imposanten Aufstieg erlebt hat: Ihr Förderer, der Reeder Urs Beerenberg, will sie in den Vorstand berufen – gegen den ausdrücklichen Wunsch seiner Kinder. Ganz uneigennützig ist er nicht. Bei einer Umarmung fängt er an, Fiona sexuell zu bedrängen. Die junge Frau stößt Urs zur Seite und verlässt das Hotelzimmer, in das nur wenige Augenblicke später zwei professionelle Attentäter eindringen, die zuvor bereits sämtliche Wachleute kaltblütig ermordet haben. Auch der Schweizer Reeder fällt ihrem Angriff zum Opfer. Fiona jedoch kann sich verstecken und überlebt, da die Polizei anrückt und die Attentäter zur Flucht gezwungen sind.

Auftritt Jan Schäfer. Der professionelle Personenschützer des Bundeskriminalamtes, erhält den Auftrag, Fiona zu eskortieren. Sie befindet sich im Gewahrsam der ägyptischen Behörden. Fiona hat sich bereiterklärt, über die krummen Geschäfte der Reederei vor dem Internationalen Seegerichtshof im Hamburg auszusagen. Offenbar liefert die Schweizer Reederei regelmäßig Dünger unter anderem nach Libyen, der auch als Grundlage von Giftgas verwendet werden kann. Dabei verlassen die Schiffe ihre Routen und manipulieren ihre Aufzeichnungen. Mit ihrer Aussage können weitere Ermittlungen angeschoben werden. Als Gegenleistung erhält Fiona einen Strafnachlass.

Die Art des Attentates lässt darauf schließen, dass die Täter bestens organisiert sind. Schäfer veranlasst ein Ablenkungsmanöver und schickt ein Team zum Hamburger Flughafen, das Fiona in Empfang nehmen soll – während er selbst mit seinem Kollegen Marco Lansing nach Hannover fährt, wohin der Flug im deutschen Luftraum kurzerhand umgeleitet wird. Die beiden Männer nehmen Fiona in Empfang und verschwinden mit ihr in einem Safehouse irgendwo in der niedersächsischen Provinz. Leider hat Fiona nicht unbedingt Lust, ins Gefängnis zu gehen. Sie hat einen Fluchthelfer, dem sie ihre Position via Smartphoneortung zuspielt. Was nicht unbedingt die beste Idee in ihrer Situation ist.

Keine gute Idee ist es allerdings auch dramaturgisch, nach dem durchaus fetzigen Einstieg in die Geschichte eben diese in einen Schlafmodus zu überführen: Denn nach der Ankunft im Safehouse passiert so gut wie nichts. Man schlägt die Zeit tot und redet. Da erfährt man ein bisschen über die komplizierte Beziehung zwischen Jan Schäfer und seiner Schwester, seiner einzigen noch lebenden Verwandten. Das macht ihn menschlich, ist für die Geschichte selbst aber irrelevant. Auf der anderen Seite kommt Fiona in diesen Szenen durchaus sympathisch rüber. Das ist nicht schlecht. Es zeigt auf, dass Fiona, von den Aussichten auf beruflichen Erfolg in der Reederei geblendet, deren offensichtlich krumme Geschäfte einfach nicht sehen wollte. Sie war verblendet, aber sie ist kein durch und durch böser Mensch. Auch das ist in Bezug auf die Charakterzeichnung nicht zu kritisieren, würde sich dieses Bild im Laufe einer dynamisch voranschreitenden Handlung so ergeben. Das aber geschieht explizit nicht. Die gesamte Charakterzeichnung findet in diesem Safehouse statt.

Über Gespräche.
Von einer dynamischen Inszenierung kann hier keine Rede sein.

In einer Nebenhandlung setzt sich eine Mitarbeiterin des Gerichtshofes mit den Fahrtrouten der Schiffe auseinander, sodass wir, die Zuschauer, ein bisschen mehr über die Hintergründe des Schmuggels erfahren. Und da gibt es noch die Tochter des ermordeten Reeders, die keine Charakterzeichnung erhält, sondern einfach böse ist. So schleppt sich die Geschichte voran, bis es nach dem Verlassen des Safehouses doch ein bisschen rundgehen darf. Aber wirklich nur ein bisschen. Das Degeto-Budget wird dann doch in diesen wenigen Aktionsmomenten sichtbar. Wer das große Rambazamba erwartet, wird enttäuscht.

«Der Beschützer» kommt selten über das Niveau eines Kammerspiels hinaus. Der spektakuläre Prolog gibt ein Versprechen ab, das weder die Geschichte noch die Inszenierung in der Folgezeit einhalten können.

Dabei gibt es durchaus auch Positives anzumerken. Hauptdarsteller Tobias Oertel spielt souverän und absolut glaubwürdig. Er ist keiner dieser impulsiven deutschen Krimikommissare, die ihr Ego nicht in den Griff bekommen und stets auf der richtigen Seite stehen. Er weiß, dass die Menschen, die er teilweise beschützt, nicht unbedingt immer gute Menschen sind. Aber das ist seine Arbeit und die übt er gewissenhaft aus. Slavko Popadic stellt seinen jüngeren Partner Marco Lansing dar, der etwas lockerer, etwas emotionaler agiert, aber ebenso als professionell hantelnder Beamter skizziert wird. Die beiden Hauptdarsteller geben ein interessantes, glaubwürdiges Team ab, das Potenzial für weitere gemeinsame Auftritte erkennen lässt. Außerdem ist da die Filmmusik von Maurus Ronner, einem Musiker, der in über 20 Jahren Tätigkeit hauptsächlich Musik für televisionäre Regalware wie «Marie Brand»-Filme oder «Heiter bis tödlich: Nordisch herb» komponiert hat → bis er 2018 mit «Dogs of Berlin» aufhören ließ und mit «Barbaren» durchaus bombastisch-krachendes Musikgut auf die Gehörgänge losgelassen hat. Auch für diesen Film findet er die richtige, dynamische Vertonung, zumindest in den Szenen, in denen die Inszenierung das Kammerspiel hinter sich lässt. Was leider viel selten der Fall ist.

Fazit: Der Film enttäuscht, die Hauptdarsteller dürfen jedoch gerne in ihren Rollen auf den Bildschirm zurückkehren.

Der Spielfilm ist am Samstag, 12. Februar 2022, 20.15 Uhr, bei Das Erste zu sehen.

Kurz-URL: qmde.de/132276
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