Interview

Benedikt Weibel: ‘Mein liebster Urlaub sind Fahrrad-Fernfahrten’

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In den Medien bekommen Friday-For-Future eine große Bedeutung. Quotenmeter sprach mit dem Verkehrsprofi Weibel über Sinn und Unsinn zum Thema Klimawandel.

Kann das Reisen zur Arbeit oder in den Urlaub eines Tages nachhaltig werden?
Man kann schon heute nachhaltig zur Arbeit und in den Urlaub fahren. Gegen die Hälfte der Autofahrten zur Arbeit sind weniger als zehn Kilometer lang, eine Distanz, die mit einem E-Bike ebenso gut, im Agglomerationsbereich sogar schneller bewältigt werden kann. Ärzte empfehlen als wirksamste Massnahme für die Gesundheit, täglich 10.000 Schritte zu machen, was einer Strecke von etwa sieben Kilometer entspricht. Wenn man das in den Alltag einbaut, lebt man gesünder und bewegt sich absolut emissionsfrei. Es gibt grossartige Urlaubsziele, die mit dem Zug bestens erreichbar sind. Mein liebster Urlaub sind Fahrrad-Fernfahrten. Im Jahr vor Corona sind wir von zu Hause aus bis nach Skågen gefahren - unvergesslich.

In meinem Umfeld leben Menschen, die in den Urlaub gelaufen sind. In Ihrem Buch „Wir Mobilitätsmenschen – Wege und Irrwege zu einem nachhaltigen Verkehr“ beschreiben Sie unter anderem die ersten „Fahr-Pläne“ der Post und den Einzug in eine Transportgesellschaft. Wie sehr sind wir heute davon abhängig?
Sehr. Unsere Agenden, die sich nach Corona wieder gefüllt haben, bestimmen unser Bewegungsmuster. Damit verbunden sind unzählige intuitiv oder bewusst vorgenommene Entscheide über die Art, wie wir von A nach B kommen.

Die Medien, egal ob linke „TAZ“, die konservative „Welt“ oder die «Tagesschau». Die deutsche Verkehrspolitik steht vor einem Kollaps. Die Antwort ist aber doch nicht, dass wir in Deutschland 100 Millionen elektrische Autos produzieren?
Das haben die deutschen Medien schon 1990 verkündet, der beschworene Verkehrsinfarkt ist aber nie eingetreten. Eine Verkehrswende ist aus zwei Gründen zwingend: 94 Prozent des Treibhausgasemissionen im Verkehr stammen vom motorisierten Individualverkehr. Der Ersatz fossiler Kraftstoffe ist eine unbedingte Notwendigkeit. Zweitens gilt es, einen akzeptablen Verkehrsfluss zu sichern, selbst wenn die Mobilität weiter zunimmt. Das ist möglich, wenn die Verkehrsmittel so eingesetzt werden, dass sie ihre Stärke ausspielen können.

Müssten die Medien nicht eher appellieren, dass Reisen ohnehin begrenzt werden, anstatt beispielsweise eAutos in den Fokus zu rücken?
Es ist richtig, dass der primäre Fokus auf den Ersatz des mit fossilen Treibstoffen betriebenen Autos gerichtet ist. Insbesondere auch im Nutzverkehr, auf dem unsere ganze Versorgung basiert. Die Zukunft des Autos beruht auf seinem klugen Gebrauch. Reisen soll man nicht begrenzen, aber der Entscheid über eine Reise muss unter Berücksichtigung des ökologischen Fussabdrucks getroffen werden.

Ich stelle mir die Fahrt mit einem autonomen Auto schwierig vor. Wenn die Insassen nichts zu tun haben, werden Sie dann noch mehr Energie verbrauchen?
Der Erfolg einer Innovation wie das selbstfahrende Auto hängt an drei Fragen: 1) ist es technisch machbar? 2) gibt es ein Bedürfnis? 3) ist es wirtschaftlich? Heute gibt es dazu noch keine definitiven Antworten. Einig ist man sich, dass Level 5 für das autonome Auto noch in weiter Ferne liegt. Level 3 hingegen, das hochautomatisierte Fahren, wird in absehbarer Zeit möglich. Autos werden damit zu rollenden Computern. Das hätte den Vorteil, dass intelligente Transportsysteme die Geschwindigkeit auf den Autobahnen bei starkem Verkehrsanfall harmonisieren könnten, was den Verkehrsfluss entscheidend verbessern würde.

Ich komme aus einer Gegend, in der kaum ein Bus hielt, zeitgleich bekam nur wenige Kilometer weiter praktisch jeder 18-Jährige einen Gebrauchtwagen, weil dort bis auf den Schulbus gar keine Verbindung angeboten wurde. Ist das nicht ein Henne-Ein-Problem?
Das Auto hat die Zersiedelung der Landschaft erst möglich gemacht. Und nun ist es in diesen Räumen, wo ein effizienter öffentlicher Verkehr kaum möglich ist, nicht mehr wegzudenken. Wenn der Gebrauchtwagen keine Emissionen mehr ausstösst, ist er kein Problem mehr. Allerdings wird man künftig mit dem Auto nicht mehr so einfach in die Kernstädte fahren können.

In der Innenstadt sind seit einigen Jahren die Elektroroller nicht mehr wegzudenken. Glauben Sie, dass diese in der nächsten Zeit noch attraktiver werden?
Ich hoffe es nicht. In den Innenstädten sind Fahrräder, insbesondere das E-Bike genauso schnell und brauchen weniger Abstellfläche.

Eine der unterschätzten Reisearten ist der Autozug. Warum wurde der eigentlich in Europa immer so schlecht vermarktet?
Weil der Autozug ineffizient ist. Die Nachfrage saisonal und unpaarig. Es macht auch keinen Sinn, mit einem langen Zug so wenige Menschen zu transportieren.

Ist es nicht ein Problem, wenn Dörfer verenden, dort Bäcker und Metzgerei geschlossen werden, und dann jeder alle zwei, drei Tage einen Supermarkt aufsuchen muss?
Doch. Aber es gibt Entwicklungen, die diesen Trend umkehren könnten. Pilotversuche mit digitalisierten Läden in Randgebieten geben Anlass für Optimismus. Sie bieten ein Sortiment für den täglichen Gerbrauch an und sind Tag und Nacht geöffnet.

Wie kann es eigentlich sein, dass die schweizerischen Züge fast immer pünktlich sind – während in Deutschland es oftmals zu großen Problemen kommt?
Bei der DB hat man sich zu lange mit Themen wie dem Börsengang oder dem Ziel, einer der weltgrössten Logistiker zu werden, beschäftigt. Dabei wurde das operative Geschäft vernachlässigt. Das hat die traditionelle Kultur der Eisenbahnerinnen und Eisenbahner, die auf den Werten «pünktlich, sauber, sicher» basiert, beschädigt.

Danke für das Gespräch!

Das Buch "Wir Mobilitätsmenschen. Wege und Irrwege zu einem nachhaltigen Verkehr" ist im Handel erhältlich.

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