Hingeschaut

Desperately Seeking Helene

von   |  1 Kommentar

«Das Traumschiff» auf Kurs Kapstadt oder: Früher war auch nicht mehr Lametta.

Traditionell am zweiten Weihnachtsfeiertag sticht «Das Traumschiff» im ZDF in See - und am 1. Januar nochmals. Corona hin oder her. Zum Neujahrstag geht´s zu den Seychellen, vorher lautet der Kurs Kapstadt. Das Fazit: Früher war auch nicht mehr Lametta!

Wenn die Titelmusik von James Last erklingt, dann lassen wir für genau 94 Minuten und 44 Sekunden (so lange dauert die gezeigte Pressekopie) einfach mal den Alltag hinter uns und tauchen ein in ein Meer der einfachen Alltags-Geschichten an Bord einer Lustreise. Wie immer mit drei, vier Handlungssträngen, was weniger den vornamenlosen Schiffsarzt Doktor Sander betrifft, der nach Jahren aussteigen will, das aber während der gut eineinhalb Stunden sich dann doch mächtig überlegt. Um am Ende die Liebe siegen zu lassen.

Auch Sommelière Vanessa Kranz will nach zwei Jahren von Bord gehen, tut das sogar. Wie der Zufall es so will, hat sie sich in Kapstadt mit ihrem Verlobten ein Weingut aufgebaut. Job weg, aber plötzlich auch: Mann weg! Denn der Hund hat eine andere! „Das tut mir unheimlich leid, Vanessa!" Tränchen zum Wein. Was nun tun ohne Perspektive? Nur gut, dass die der Mottenkiste entstiegene Linda Evans an Bord ist, der einstige «Denver-Clan»-Star, der eine millionenschweren Passagierin spielt auf der Suche nach einem Invest in Öl. Am Ende wird´s Wein. Die Rettung naht von Kajüte 17!

Algorithmus der Liebe, Blind Date an Bord - das ist die arg vorhersehbare zweite Geschichte. Eine Partnervermittlung schickt zwei sich nicht kennende Passagiere an Bord, 50.000 Euro bekommen sie, wenn sie sich ineinander verlieben. Sie mit viel zu großer Brille, ein Schwan. Er mit rosa Hemd. „Für mich wie ein Autounfall!", sagt sie. «Rosamunde Pilcher» war noch nie näher! Schon nach 25 Minuten ist Kapstadt erreicht - und die sich kennen lernenden Liebenden in spe fahren mit einem rosafarbenen Mietwagen die Küste entlang. Auch sein zweites Hemd ist rosa. Als er am Strand auf ihre Brille tritt und sie blind wie ein Fisch auf seine Hilfe angewiesen ist, beginnt es langsam zu kribbeln - ausgerechnet als er eine diesmal rosa Hose trägt. Sie aber ist ohne Gesichtsfahrrad plötzlich richtig attraktiv. Nach einer wilden Dax ähnlichen Berg- und Talfahrt kriegen sie sich. Ach, Fernsehen, seufz!

Marianne Sägebrecht als letztlich gar nicht so barmherzige Schwester Magdalena leitet bemüht das Bayrisch vermeidend durch Story drei. Lea Bremer (gespielt von Melodie Wakivuamina) will ihre leibliche Mutter finden, die aber leider vor zwei Jahren verstorben ist. Und die Schwester will einen gefährlichen Virus bekämpfen. Doch die Kiste mit Impfstoff ist weg. Auch Lea Bremer ist weg, Max Parger - Kapitän von Bord - muss ran: Auf dem Mofa nach allem suchen, was verschwunden ist. Oder parallel der bärtige Staff-Kapitän Martin Grimm zusammen mit Lernschwester Elke Barbara Wussow. Gefunden wird am Ende alles wieder. Happy Endings an Weihnachten. Kurz auch mal am Thema Apartheid gekratzt, Bildungsauftrag erledigt!

Immer, wenn Florian Silbereisen als Kapitän auftaucht, wartet man irgendwie darauf, dass er gleich Semino Rossi aufruft, Andy Borg oder wenigstens Roland Kaiser. Zur Taufe des Schiffs auf den Namen "Santa Maria" oder so. Ja, das würde frischen Wind bringen. Oder Helene Fischer, wie sie nachts atemlos zusammen mit den Breakdancern der Dancefloor-Distruction-Crew auf dem Mast bei einer Monster-Lasershow turnt. 30 Millionen Fernsehzuschauer wären dem ZDF gewiss. Desperately Seeking Helene!

Aber so muss die Frage erlaubt sein, ob nicht Michael Kessler mit einer Parodie unterhaltsamer wäre als der Kapitän. Na gut, Sascha Hehn war ähnlich steif. Siegfried Rauch zuvor auch nicht gerade ein spaßiger Action-Held. Wer sich wie Bolle auf den neuen James Bond freut, wird am 26. November wenig Spaß haben. Auch weil Harald Schmidt diesmal nicht dabei ist und Joko Winterscheidt als Kapitäns-Bruder Max Parger die lausige Gastrolle übernehmen muss.

„That was Yesterday", sangen einst Foreigner. Passt irgendwie. Der große ZDF-Dampfer ist Schauplatz des Fernsehens von gestern. Aber in Verbindung mit den Sehnsuchtsorten dieser Welt einfach nicht wegzudenken von Taste „2" auf der Fernbedienung. «Das Traumschiff» bedient seit 40 Jahren alle Erwartungen. Nicht mehr, aber auch nie weniger. Riecht ein bisschen wie das Pitralon After Shave. 2025 oder schon ein bisschen eher dürfte Folge 100 laufen. Wenn die Macher mal kreativ sind, dann geht´s mit dem Kutter über die Weser-Lutter nach Bielefeld. Zu Späßen von Ingolf Lück rappt Casper und zum Käpt’n´s Dinner gibt´s Dr. Oetker-Pizza.

Zurück zur Realität: Mit «Kreuzfahrt ins Glück» setzt das ZDF die beiden neuen «Traumschiff»-Folgen im Anschluss jeweils mit einer B-Version fort. Dort geht´s nur an die Ostsee und dann kurioser Weise nach Tirol in die Berge. Am zweiten Weihnachtsfeiertag folgt zudem die Reportage «Das Traumschiff – Spezial» mit einem Blick hinter die Kulissen des Menschen-Schleppers. Da die ARD - oder auf Neudeutsch: Das Erste - in beiden Fällen einen Außersonntags-«Tatort» entgegen setzt, am Neujahrstag gar den beliebten aus Weimer, dürften die ZDF-Schiffsquoten schlechter ausfallen als früher. Oder kommt Helene doch noch als Überraschungsgast?

Kurz-URL: qmde.de/123771
Finde ich...
super
schade
60 %
40 %
Teile ich auf...
Kontakt
vorheriger Artikel«Spongebob» soll zu Football lockennächster Artikel«Pastewka»: Finale Staffel bald bei Sky
Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Familie Tschiep
25.12.2020 15:38 Uhr 1
Der Schiffsarzt geht von Bord. Mal schauen, ob sie Liz Buffoe im nächsten Jahr als neue Ärztin an Bord holen.

Optionen

Drucken Merken Leserbrief




E-Mail:

Quotenletter   Mo-Fr, 10 Uhr

Abendausgabe   Mo-Fr, 16 Uhr

Datenschutz-Info

Letzte Meldungen

Werbung

Mehr aus diesem Ressort


Jobs » Vollzeit, Teilzeit, Praktika


Surftipp


Surftipps


Werbung