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«Deutschland 89»: Wer brachte die Mauer zu Fall?

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Historisch mag die dritte Staffel der «Deutschland»-Reihe nicht sein, aber sehenswert. Anna und Jörg Winger liefern tolle Drehbücher, meint unser Autor.

‚Nicht Geschichtsunterricht, sondern eine spannende Geschichte‘ lautet das Credo der «Deutschland»-Trilogie, die nun ihren Abschluss findet! Im Mittelpunkt steht noch einmal der ehemalige Grenzsoldat Martin Rauch (Jonas Ney), der in der ersten Staffel «Deutschland 83» in der DDR den ‚Kalten Krieg‘ aus seiner Sicht erlebt und von seiner skrupellosen Tante Lenora Rauch (Maria Schrader) als Spitzel in den Westen geschleust wird, um auszukundschaften, ob der Westen einen militärischen Erstschlag vorbereitet. In der zweiten Staffel «Deutschland 86» findet sich Martin Rauch in Afrika wieder und wird vom BND als Doppelagent gewonnen. Nun folgt «Deutschland 89». Diesmal leitet der Protagonist - laut Drehbuch – das Ende der DDR ein.

Wer hat die Mauer wirklich zum Einsturz gebracht?
November 1989: Nachdem Martin Rauch (Jonas Ney) das schmutzige Agentengeschäft durchschaut hat, ist er politisch desillusioniert. Privat muss er dennoch seine Aufgaben als alleinerziehender Vater bewältigen. Auf den Straßen protestiert das Volk, der neue Staatschef Krenz will neue Reformen verabschieden. Am 9. November erhält Rauch deshalb den Befehl, Krenz eventuell zu vergiften, sollte er zu weit gehen. Zuerst lehnt er ab, doch dann entdeckt Rauch einen gewagten Reform-Entwurf, der DDR-Bürgern sofortige Reisefreiheit garantiert. Es gelingt ihm, diesen über seine Vorgesetzten hinweg als echte und von Moskau bereits genehmigte Verordnung dem Zentralkomitee der SED zu übermitteln. Wenige Stunden später verkündet Günter Schabowski in einer Pressekonferenz die neue Reise-Regelung. Die Mauer fällt, die alten Kader der DDR haben ausgedient. Damit schlittert aber auch Rauch in eine ungewisse Zukunft. Denn sowohl KGB als auch CIA wollen ihn für ihre Zwecke einsetzen. Als Spielball der Spionageringe gerät auch sein eigener Sohn in Gefahr. Rauch muss handeln und wird das Opfer einer Entführung.

Einen echten Cappuccino, bitte!
Was auch «Deutschland 89» nicht sein möchte, ist ein historisch genaues Abbild der damaligen Abläufe. Vielmehr dient der historische Hintergrund für eine fiktive Spionage-Story mit spekulativen Alternativen, wie eins zum anderen gekommen ist. So hätte es auch gewesen sein können. Im Vordergrund stehen dabei natürlich die Spionage-Aktivitäten, und spätestens seit James Bond wissen wir, dass das ein hohes Spannungspotential haben kann. Anna und Jörg Winger, die Erfinder der Serie, haben sich zum Abschluss also nochmals einiges einfallen lassen, um die Ereignisse von Folge zu Folge zuspitzen zu lassen. Und das hat echte Thriller-Qualität, die auch Agenten-Filmklassikern wie «Der Spion, der aus der Kälte kommt» oder «Dame, König, As, Spion» standhalten kann. Allerdings bedeuten das auch ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit, um den Verschachtelungen, Ortswechseln und Figurenkonstellationen folgen zu können. Nebenbei werden auch noch einige satirische Spitzen auf das in Ost und West herrschende Deutschtum geworden. Etwa wenn kurz nach der Wende Sylvester Groth als HVA-Generalmajor Schweppenstette einen echten Cappuccino verlangt, und doch nur einen mit Sahnehäubchen bekommt wie er in der DDR als echt galt.



Die Crème de la Crème des deutschen Films
Sylvester Groth ist einer der grandiosen Darsteller, die neben Jonas Ney und Maria Schrader dabei gewesen ist. Das Star-Ensemble wurde mit Lavina Wilson als BND-Agentin Brigitte Winkelmann und Anke Engelke als DDR-Funktionärin Barbara Dietrich dann weiter aufgerüstet, und in der dritten Staffel gibt nun Corinna Harfouch als HVA-Agentin Beate, die eine Scheinehe mit Walter Schweppenstette führt, ihren Einstand. Harfouch und Groth haben die DDR noch erlebt, Engelke und Schrader sind im Westen großgeworden. Jonas Ney ist zwanzig Tage vor der deutschen Wiedervereinigung geboren. Ein guter Querschnitt unserer Nation, der längst zeigt, dass trotz aller Widrigkeiten, die 30 Jahre danach zwischen Ost und West immer noch bestehen, dass schon einiges zusammengewachsen ist, was zusammen gehört - um es mal mit den Worten von Willy Brandt (†78) am Tag nach dem Mauerfall zu sagen.

Fazit
Historisch nicht korrekt, aber doch so spannend erzählt, dass man keine der acht Folgen von «Deutschland 89» verpassen will.

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