Die Kritiker

«Greyhound» - Tom Hanks' Apple+-Coup

von   |  1 Kommentar

Am Ende ist er also bei Apple TV+ gelandet: «Greyhound - Schlacht im Atlantik» mit Tom Hanks, ein Kriegsdrama über den Kampf eines unerfahrenen US-Navy-Commanders gegen deutsche Soldaten.

Filmfacts: «Greyhound»

  • VÖ: Apple TV+
  • FSK: 12
  • Laufzeit: 91 Min.
  • Genre: Kriegsfilm
  • Kamera: Shelly Johnson
  • Musik: Blake Neely
  • Buch: Tom Hanks
  • Regie: Aaron Schneider
  • Darsteller: Tom Hanks, Elisabeth Shue, Stephen Graham, Matt Helm, Craig Tate, Rob Morgan
  • OT: Greyhound (USA/CAN/CHN 2020)
Als Apple im März 2019 verkündete, mit dem neu gegründeten Apple TV+ in den Streamingmarkt einsteigen zu wollen, schien dieser Plan zunächst einmal folgerichtig. Der Technikgigant aus Cupertino ist nicht bloß einer der erfolgreichsten Konzerne auf diesem Planeten, sondern unterhält mit dem iTunes-Store auch eine der weltgrößten Internet-Handelsplattformen für Musik, TV und Film. Apple hat also seit jeher seine Finger im Filmbusiness – nun stellt es sich in direkter Konkurrenz zu Netflix und Amazon Prime auf. Doch schon direkt nach Start folgte die Ernüchterung, als das Portfolio zunächst bloß eine Handvoll Serien («Verschwiegen» mit Chris Evans ist übrigens ein Geheimtipp!) umfasste und die Publikumspräsentation des Programms zwar ambitioniert, aber eben noch so überhaupt nicht ausgereift (einige Exklusiv-Deals wurden angekündigt, einige Projekte mit bekannten Stars sind bereits in der Mache) wirkte. Denn Bezahlinhalt herunterladen und dann von Zuhause gucken, das konnte man im iTunes-Store ja auch vorher schon.

Nun aber hat sich Apple TV+ mit «Greyhound – Schlacht im Atlantik» einen ersten großen Titel exklusiv nur für die eigene Plattform gesichert – wenngleich das vorher nicht so geplant war, denn eigentlich sollte der Kriegsfilm mit Tom Hanks ins Kino kommen, musste dann aber aufgrund der Corona-Krise andere Auswertungsfenster bemühen.



Unter Beschuss


Während des Zweiten Weltkrieges macht sich der aus 37 alliierten Schiffen bestehende Konvoi HX-25 auf den Weg nach Liverpool. Der unerfahrene, aber besonnene Royal-Navy-Commander Ernest Krause (Tom Hanks) führt die Flotte an Bord der der USS Keeling, genannt Greyhound, an und wird rasch in eine Verteidigungsposition gedrängt, als ein Konvoi aus Wolfsrudeln deutscher U-Boote seine Schiffe verfolgt. Und der Teil der Strecke, den die Flotte ohne Luftunterstützung durchqueren muss, steht erst noch bevor. Es kommt zu einer Schlacht, die für den Zweiten Weltkrieg wegweisend sein wird.

Regisseur Aaron Schneider war bislang hauptsächlich als Kameramann tätig. In dieser Position hat er bereits diverse TV-Filme, Serienepisoden und Videoclips inszeniert. «Greyhound – Schlacht im Atlantik» ist erst sein zweiter Spielfilm als Regisseur. Dass seine Wurzeln vor allem in der visuellen Gestaltung von Filmproduktionen liegen, erkennt man sofort. Gedreht wurde unter anderem auf der U.S.S. Kidd in Baton Rouge sowie der HMCS Montreal der kanadischen Royal Navy. Schneider weiß ganz genau, wie er seine Figuren so zu platzieren hat, dass gleichzeitig die intime Kommunikation an Deck, aber auch die ehrfurchtgebietenden Aufnahmen der Greyhound zur Geltung kommen. Kameramann Shelly Johnson («Captain America») hat ein hervorragendes Auge dafür, die verwinkelten Gänge des Schiffes als in ihrer Unübersichtlichkeit gleichermaßen beklemmend wie weitläufig erscheinen zu lassen.

Es kommt immer ganz darauf an, wem der Zuschauer gerade folgt. Ob dem abgeklärten Ernest Krause oder den Jungspunden, die längst nicht so routiniert sind wie ihr Commander. Wobei das mit der Abgeklärtheit auch so eine Sache ist. Drehbuchautor Tom Hanks hat auf Basis von C.S. Fosters Roman «The Good Shepherd» nämlich einen Film kreiert, in dem die emotionale Befindlichkeit seiner Hauptfigur kontinuierlich infrage gestellt wird.

Die Menschlichkeit auch im Krieg wahren


Wüsste man nicht, dass „Greyhound“ auf einer Buchvorlage passiert, so käme man nicht umher, davon auszugehen, dass sich Tom Hanks («Sully») die Rolle des Ernest Krause selbst auf den Leib geschrieben hat. Kein anderer Schauspieler ist so sehr dafür prädestiniert, eine Autoritätsperson gleichermaßen respekteinflößend wie durch und durch sympathisch und warmherzig zu verkörpern. Immer wieder betont das Skript in den Dialogen zwischen ihm und seiner Crew den höflichen und fast freundschaftlichen Umgang. Hier wird nicht nur kontinuierlich „Bitte“ und „Danke“ gesagt, während Krauses Funksprüche grundsätzlich motivierend ausfallen. Er stellt sich außerdem mit solch einem Grundvertrauen der ihm untergebenen Schiffsbesatzung gegenüber, dass man ihn als Anführer von Anfang an ernst nimmt, ohne das Gefühl zu haben, kuschen zu müssen. So einen wie Ernest Krause will man ganz einfach nicht enttäuschen, so aufopferungsvoll wie auch er sich seiner Mannschaft gegenüber gibt.

Dabei ist dieser Einsatz der erste für Krause. Hanks‘ starkes Spiel lässt immer wieder durchscheinen, dass besagte Abgeklärtheit auch eine wohl gewählte Fassade ist, um selbst in unübersichtlichen und überfordernden Momenten als Halt für seine Crew zu fungieren. Wenn schon die Umstände eines solchen Einsatzes die Menschen an die Grenzen des Menschenmöglichen treiben – ganz gleich ob aus physischer oder psychischer Sicht – dann sollen sie doch das Gefühl haben, eine Gemeinschaft zu sein. Hanks‘ Krause ist für diese der perfekte Anführer.

Für einen Kriegsfilm, der hauptsächlich auf dem Wasser spielt und auch von Anfang an Gas gibt – es dauert nur wenige Minuten, bis die Greyhound unter Beschuss gerät und aus diesem auch bis zum Schluss nicht mehr herauskommt – ist «Greyhound» bemerkenswert intim geraten. Es geht vor allem um das Zwischenmenschliche. Die klassische Kriegsaction dagegen bildet hier bloß einen Rahmen, in dem das Bemühen um Menschlichkeit auf kühn kalkulierte Angriffszüge prallt. Wenn wir nämlich nicht gerade sehen, wie respektvoll Ernest Krause mit den anderen Besatzungsmitgliedern umgeht, bekommen wir einen Einblick darin, wie genau einzelne Feldzüge geplant und ausgeführt werden. Die hieraus resultierende Action ist dann auch überhaupt nicht reißerisch oder labt sich gar an der Zerstörung; Auch mir der feindlichen Besatzung kommt man nur kurz über zwei Funksprüche in Berührung. Zwar formieren sich auch hier auf der einen Seite die Guten, auf der anderen Seite die Bösen und man weiß von Anfang an, von welcher Seite «Greyhound» erzählt. Aber der Feind erfährt nie eine Überzeichnung, ist nicht einfach der „böse Deutsche“, sondern eine fast nüchtern gezeichnete Bedrohung aus der Ferne. Auch um einer kriegsromantischen Verklärung durch falsch verstandenes Heldentum vorzubeugen, ist dieser Umgang mit den Antagonisten deutlich effektiver als in Filmen, in denen man dem Bösen ein klar definiertes Gesicht gibt.

Auch handwerklich ist «Greyhound» gut gemacht. Wenngleich man den Aufnahmen, auf denen die Flotte auf offener See im Gefecht mit der Gegenseite zu sehen sind, ansieht, dass hier Computereffekte im Spiel waren, profitiert der Film stark von der Kulisse eines echten Kriegsschiffes. Da sich ohnehin ein Großteil der gezeigten Ereignisse zwischen Commander-Kabine und Brücke abspielt, fallen diese Szenen jedoch nicht allzu sehr ins Gewicht. Umso bedauerlicher ist da schon eher, dass «Greyhound» nicht ins Kino kommt. Denn nachzuempfinden, wie die Ereignisse an Deck die Psyche der Besatzung malträtieren, wird zuhause nicht annähernd so möglich sein, wie auf einer Leinwand, der man sich ebenfalls für eineinhalb Stunden nicht entziehen kann.

Fazit


Zwischenmenschliche Intimität an Deck eines Kriegsschiffes trifft auf kühle Angriffstaktik – «Greyhound – Schlacht im Atlantik» ist vor allem dank seines warmherzig aufspielenden Hauptdarstellers Tom Hanks ein unkonventioneller, jedoch keineswegs verklärender Kriegsfilm.

«Greyhound – Schlacht im Atlantik» ist ab sofort bei Apple TV+ zu streamen.

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Torsten.Schaub
13.08.2020 10:21 Uhr 1
Mir kam der Film vor, als wenn man das Mittelteil eines Buches liest (bzw. als Film sich anschaut). Das Ganze hat keinen richtigen Anfang und kein richtiges Ende. Die Schlacht im Atlantik gegen gleich mehrere U-Boote ist natürlich sehr spannend und actionreich inszeniert, nur man hat, nach dem Schauen, das Gefühlt, man hätte irgendwas verpasst. Fast könnte man denken, Tom Hanks hätte den Film kurz mal auf den Weg nach Australien gedreht, wo er zu Dreharbeiten vom Elvis Bio-Pic war.

Für mich ein kurzweiliger Zeitvertreib der nicht lange im Gedächnis bleibt und im Kino sicherlich gefloppt wäre.

Aber das ist nur meine Meinung.

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