Die Kritiker

«Liebe. Jetzt!»

von

Mit dieser Serie erreicht der Corona-Shutdown die deutsche Fiction: Jürgen Vogel, Natalia Belitski, Bernhard Schütz und viele andere schließen sich ein. So entstand bestes Quarantäne-Fernsehen.

Cast

Folge 1 mit Jürgen Vogel, Natalia Belitski und Dela Dabulamanzi
Folge 2 mit Lea Zoe Voss, Leonhard Scheicher und Sarina Radomski
Folge 3 mit Sebastian Schwarz, Marie Burchard und Maryam Zaree
Folge 4 mit Nina Gummich, Bernhard Schütz, Uwe Rauer und Dimitrij Schaad
Folge 5 mit Isabel Thierauch, Kara Schröder und Mehmet Ateşçi
Folge 6 mitAleksandar Jovanovic, Clelia Sarto und Anja Karmanski
Die Not des Corona-Shutdowns hat deutsche Fernsehmacher erstaunlich kreativ gemacht. Teils binnen weniger Tage wurden trotz großer logistischer Herausforderungen neue Shows konzipiert und auf den Weg gebracht, Moderationsurgesteine wie Günther Jauch und Thomas Gottschalk luden neben den jungen Wilden wie Bill Mockridge zu sich nach Hause ein, um die Quarantäne für alle etwas erträglicher zu gestalten – und die Sender ließen sie. Vieles davon mag nicht sonderlich innovativ gewesen sein, manches Konzept hat nicht gezündet, manche Idee war vielleicht nicht ganz zu Ende gedacht – geschenkt. Trotzdem beschlich einen beim Zusehen oft der Eindruck: Wenn Fernsehen doch immer so wäre, so stark geprägt vom unbedingten Unterhaltungswillen, von einer Trial-and-Error-Experimentierfreude, von der Abwesenheit von Marktforschung und verkopften Konzeptrevisionen, die regelmäßig ganze Sendestrecken in den kreativen Abgrund kaputtoptimieren.

Einer der Höhepunkte dieses neuen Quarantäne-Genres steht uns bei ZDFneo am Sonntagabend ins Haus: Mit heißer Nadel hat der Sender sechs Serienfolgen über die Liebe in Zeiten der infektiösen Pandemie gestrickt – und dabei trotz deutlicher Einschränkungen beim Produktionsbetrieb ganz erstaunliche Geschichten erzählt. Aufgrund logistischer Notwendigkeit blieben die Sets auf wenige Wohnungen beschränkt, die strikten Sicherheitsvorkehrungen ließen nur ein Minimum an Crew-Personal vor Ort zu, und die Cast-Größte musste ohnehin auf das dramaturgisch Essentielle begrenzt werden: In Zeiten von Skype und Facetime ist zumindest diese Herausforderung aber leichter lösbar als je zuvor.

Crew

Produktion: Studio Zentral
Drehbuch: Jane Ainscough, Luisa Hardenberg, Lena Krumkamp, Malte Welding, Alexander Lindh und Annette Lober
Regie: Pola Beck, Tom Lass
Kamera: Juan Sarmiento G. und Johannes Louis
Produzenten: Lasse Scharpen, Darina Seng und Lucas Schmidt
Wie zartfühlend auch längere Telefongespräche erzählt werden können, erfahren wir in der zweiten Folge, in der zwei junge Studenten – sie in ihrer Berliner Wohnung, er unverhofft in Wien gestrandet – zwanzig Minuten lang verdruckst am iPhone umeinander herumtänzeln, sich über den letzten San-Francisco-Urlaub, nervende Nachbarskinder und Monogamie austauschen, bis schließlich enthüllt wird, ob wirklich auf beiden Seiten die Funken geflogen sind.

Wunderbar feinfühlig fällt auch die Premierenfolge aus: Thorsten und Jana – verkörpert von Jürgen Vogel und Natalia Belitski, die auch im echten Leben miteinander liiert sind – wurden erst vor kurzem „plötzlich ein Paar“, und schon ist sie schwanger mit dem gemeinsamen Kind. Wegen der Corona-Beschränkungen musste Thorsten spontan in ihrer Wohnung einziehen; eine beengte, ungewohnte, viel zu frühe ständige Verpartnerung, die von Tag zu Tag schwerer erträglich wird, weil sich die wechselseitigen Schrullen und ziemlich unterschiedlichen Lebensentwürfe der Beiden noch so gar nicht eingegroovt haben. Zum Glück kann über Skype eine exzentrische (und ziemlich effiziente) Paartherapeutin intervenieren.

Oder nehmen wir die Geschichte von Dieter, dem Boomer, und seiner Millenial-Tochter (Bernhard Schütz und Nina Gummich), die, ohne jetzt voreinander weglaufen zu können, ihre gegenseitige Sturheit überwinden und wieder aneinander entdecken, was sie am jeweils anderen haben.

Was uns diese Serie lehrt? Es braucht nicht viel für gutes Fernsehen: Nur kluge, kreative, talentierte und feinfühlige Menschen vor und hinter der Kamera, die auch in behelfsmäßig zu Filmsets umgebauten Wohnungen, im ständigen Smartphone-Umrandungs-Close-up oder mit Drehbüchern, bei deren Verfassung nur wenig Zeit für’s Dialog-Polishing blieb, ein richtig schönes, erheiterndes und zur Reflexion einladendes Format zustande bringen. Wenn es doch immer so einfach sein dürfte.

ZDFneo zeigt sechs Folgen von «Liebe. Jetzt!» am Sonntag, den 3. Mai ab 21.45 Uhr am Stück.

Mehr zum Thema... Liebe. Jetzt! TV-Sender ZDFneo
Kurz-URL: qmde.de/117991
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