First Look

«Prop Culture»: Disneys filmvernarrte «Requisiten»-Doku

von

Acht Folgen nerdiges Filmwissen, begeistert präsentiert: «Prop Culture» ist die Antwort auf die Frage "Was, wenn man eine DMAX-Dokuserie mit DVD-Extras kombiniert?"

Hinter den Kulissen

  • Idee und Skript: Jason C. Henry, Dan Lanigan
  • Produktionsfirmen: ABC Studios, Cinema Relics Productions
  • Ausführende Produzenten: Jason Henry und Dan Lanigan.
Das Aufkommen der Streamingdienste hat für Filmfans so seine Vor- und seine Nachteile: Einerseits ist es natürlich sehr reizvoll, dass man Unmengen an Filmen jederzeit auf Abruf bereit hat, ohne sie sich vorab kaufen zu müssen. Doch leider haben die Filmstudios parallel zum Aufkommen der Video-on-Demand-Dienste bei den Film-Extras den Gürtel enger geschnallt: Ein mittelgroßer Horrorfilm wie «Final Destination 3» bekam auf der Höhe des DVD-Booms Tonnen an Bonusmaterial spendiert, die sich mühelos mit den Blu-ray-Extras zu Quentin Tarantinos neustem Geniestreich «Once Upon a Time» messen lassen können. Und im Hause Disney verblassen die mickrigen Blu-ray-Extras für den vierten und fünften Teil von «Pirates of the Caribbean» im Vergleich mit der ursprünglichen DVD-Edition von «Fluch der Karibik».

Und das ist ein wirklich großer Verlust. Natürlich gibt es dank zahlloser filmzentrischer Webportale sehr viel informativen Stoff über manche der bewegten Bilder, die uns bewegen. Dennoch fehlen sie einfach, diese absurd detailverliebte Blicke hinter die Kulissen, die uns das goldene DVD-Zeitalter eingebracht hat. Als nicht einfach ein fünfminütiges Regie-Interview, zwei dreiminütige Interviews mit dem Cast, ein Pannen-Zusammenschnitt und eine zehnminütige Featurette, die sämtliche handwerklichen Aspekte des Films abdeckt, schon als "umfangreich" durchgingen. Wo sind sie geblieben, die filigranen Ausführungen darüber, was sich die Verantwortlichen für Requisiten, Kulissen und Kostüme so gedacht haben?

Zumindest Disney-Produktionen bekommen nun aber auch im VOD-Zeitalter Nachschub: Die neue Dokuserie «Requisiten» (im Original weniger piefig «Prop Culture» betitelt) widmet sich in jeder Ausgabe einem anderen Film – und seine Requisiten stehen im Mittelpunkt, wenngleich sie nicht das alleinige Thema darstellen. Der äußerst begeisterungsfähige und mit seiner Leidenschaft mühelos ansteckende Filmhistoriker und Sammler Dan Lanigan nutzt die denkwürdigen Gegenstände aus Filmen wie «Mary Poppins», «Muppet Movie» oder «Fluch der Karibik», um mit Fans, Filmhistorikern und Filmschaffenden generell über den Entstehungsprozess des Films zu diskutieren, seine Rezeption oder auch über das Thema der Instandhaltung/Instandsetzung von filmischen Andenken.

Dieser Aspekt der Serie kommt im Staffelauftakt am besten zur Geltung: Da «Mary Poppins» bereits über 50 Jahre alt ist, sind viele Requisiten aus dem Film verschollen oder zerstört, und ein Teil der Episode dreht sich darum, wie sich Dan Lanigan auf die Suche nach verbliebenen Requisiten begibt, bei der Restauration zuschaut oder sich aufmacht, Konzeptzeichnungen zum Film authentifizieren zu lassen. Zudem lässt er sich anhand ausgewählter Requisiten und Repliken denkwürdige Tricks aus «Mary Poppins» erklären und spricht mit Menschen aus dem erweiterten «Mary Poppins»-Kosmos über die Musik und die generationsübergreifende Magie des Films.


Obwohl die Serie «Requisiten» ein sehr nischig-filmnerdiges Kernthema verfolgt, ist sie überhaupt nicht trocken geraten: Dan Lanigan führt mit großer, aber nie den Mittelpunkt an sich reißender Energie durch das Format, die visuelle Präsentation (inklusive «Indiana Jones»-esken Zwischeneinblendungen) lockert das Geschehen zusätzlich auf und dadurch, dass jede einzelne Folge behände von Schauplatz zu Schauplatz, Gesprächspartner zu Gesprächspartner wechselt, bleibt «Requisiten» stets in Bewegung.

In der einen Passage geht es um die künstlerische Intention hinter einem Requisit, dann um die logistische Herausforderungen hinter einem Big-Budget-Projekt, dann um die Suche nach verlorenen Schätzen. Die Interviews mit Sammlern, Filmschaffenden und Stars sind zudem allesamt fesch geraten, ohne zu Fluff zu mutieren: «Requisiten» schafft es, sehr spaßig sehr geekige Information zu vermitteln, unter anderem dank solch unglaublicher, aber wahrer Anekdoten wie "Die Schneekugel aus «Mary Poppins» landete im Müll und wurde von einem Hausmeister gerettet". Und in der «Tron»-Folge geht Regisseur Steven Lisberger sehr ausführlich darauf ein, welch Albtraum die Produktion des Films war – ein so großer, dass er sich schwer tut, Leidenschaft dafür aufzubringen, zurückzublicken.

Anders als der Disney+-Film «Ein Tag bei Disney» ist «Requisiten» also keine Produktion mit werbendem Charakter. Selbstredend ist eine derart detailversessene Dokuserie von einer großen Liebe zum Sujet geprägt, doch der Tonfall in «Requisiten» gleicht nicht etwa Werbe-Featurettes, sondern deutlich mehr einer Mischung aus tiefgreifenden DVD-Extras und einer DMAX-Dokuserie, die sich halt weshalb auch immer auf Filme statt auf die sendertypischen Inhalte stürzt. «Requisiten» will niemanden überreden, sich dieses oder jenes anzuschaffen, sondern sagt sich: Hey, du hast eh schon ein Disney+-Abo, da können wir dir jetzt auch faszinierendes Hintergrundwissen zu ausgewählten Inhalten vermitteln.

Als filmverliebte, aber eben doch nicht werbende Film-Dokuserie positioniert sich «Requisiten» somit als das Disney+-Pendant zu Netflix' «Filme – Das waren unsere Kinojahre», der äußerst sehenswerten Dokuserie, die mit aufgekratztem Humor und großer Passion die teils sehr verworrene Produktionsgeschichte diverser Filmhits nacherzählt. In beiden Fällen gilt: Bitte mehr davon!

Die komplette erste Staffel von «Requisiten» ist ab dem 1. Mai 2020 auf Disney+ abrufbar.

Der Presse wurden vorab die ersten drei Episoden zur Verfügung gestellt.

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