Die Kritiker

«In Wahrheit - Still ruht der See»

von

Warum uns die Krimi-Reihe «Unter Verdacht» fehlen wird? Die beste Antwort darauf liefert der ZDF-Samstagabend-Krimi in dieser Woche.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Christina Hecke als Judith Mohn
Rudolf Kowalski als Markus Zerner
Robin Sondermann als Freddy Breyer
Jeanne Goursaud als Lisa
Bernadette Heerwagen als Kathrin Brandmann
Skander Amini als Ahmed
Yannic Eilers als Marlon

Hinter der Kamera:
Produktion: Network Movie Film- und Fernsehproduktion
Drehbuch: Miguel Alexandre (auch Regie und Kamera) und Harald Göckeritz
Produzentin: Jutta Lieck-Klenke
Letzte Woche haben wir auf diesem Sendeplatz noch Dr. Eva Maria Prohacek in den Ruhestand verabschiedet. Und schon in den ersten Minuten der neuen Folge von «In Wahrheit» wird offensichtlich, warum wir sie vermissen werden. Denn während die Hauptfigur in «Unter Verdacht» nicht auf Eingängigkeit und eine zu einfache Sympathie getrimmt war, sondern viel Raum für psychologische Komplexität nutzen durfte, fehlen diese Qualitäten in „Still ruht der See“ nahezu völlig.

Dabei böte das Handlungsgerüst eine gute Ausgangslage: Nachdem ein Sechzehnjähriger, dessen Körper mit Hämatomen übersät war, im nahegelegenen See ertrunken ist, ermittelt sich Kommissarin Judith Mohn (Christina Hecke) auch in ihre eigene Familie vor, und zeigt dabei, wie sich die Schwierigkeiten des sozialen Aufstiegs auch dann noch fortsetzen, wenn man ihn geschafft hat. Mohn stammt aus dem Ghetto von Saarlouis, hätte studieren können, wenn ihre Mutter es nicht verhindert hätte, und musste sich stattdessen unnötig mühsam durch den gehobenen Dienst kämpfen. Nach zwanzig Jahren Funkstille nimmt Mohn nun wieder Kontakt zu ihr auf, und die unterschiedlichen Lebensentwürfe prallen aufeinander.

Leider findet das Drehbuch dabei aber nur Klischees. Die Selbstreflexion von Mohns Mutter reicht über schwurbelige Kalendersprüche („eine einfache Frau, die immer nur Pech im Leben hatte“) nicht hinaus, und zeigt dabei doch ein größeres Maß an Introspektion, als es der Dramaturgie eigentlich gut täte: Wer arbeitet, hält sich für was Besseres.

Der Film könnte nun der Überbetonung von (örtlicher) Prägung nachspüren, den Gegensätzen aus Identität und persönlicher Emanzipation, den wechselseitigen sozialen Kränkungen zwischen unterschiedlichen sozialen Milieus in ein und derselben Familie. Doch daran hat «In Wahrheit» nur begrenztes Interesse. Es wäre auch nicht plakativ genug.

Für das Plumpe sind derweil ein Haufen Jugendliche zuständig, die den toten Sechzehnjährigen allesamt verachtet haben und ihn nun auch im Grabe noch verspotten. Warum (und wie das in die anerzählte Milieustudie passt), wird leider aus Gründen eines allzu oberflächliche Spannungsbogens erst zu weit gen Schluss enthüllt, sodass sich diese Beobachtung nicht mehr in das grundsätzliche Untersuchungsfeld einbinden lässt, auf das dieser Film seinen Spielort reduziert: Man ist vorbestraft, man ist pleite, man kommt aus dem Saarland.

Anstatt seine Figuren klug zu beobachten und anhand ihrer Haltungen und Handlungen etwas Intelligentes zu sagen, bleiben sie bloßer Aufhänger für allerhand Aufreger. „Marlon hat nicht mal eine gebumst“, wird schließlich mit den albernen Sexwetten ausgepackt, die den Anstoß für die Tragödie gaben und zudem noch in eine Vergewaltigung gemündet hatten, die „Still ruht der See“ unangenehm exploitativ darstellt. Ein bisschen Schockieren muss sein, denn dann kann man sagen, man sei ja trotz aller Beliebigkeit ziemlich provokativ unterwegs. An den Swag von Dr. Prohacek reicht man damit leider meilenweit nicht ran.

Das ZDF zeigt «In Wahrheit – Still ruht der See» am Samstag, den 4. April um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/117282
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