Die Kritiker

«Wie der Vater...» - Die Füllware zwischen Netflix-Perlen

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Mittlerweile finden sich unzählige Filmperlen auf dem Streamingdienst Netflix. Die Tragikomödie «Wie der Vater...» gehört trotz Star-Ensemble nicht dazu.

Filmfacts: «Wie der Vater...»

  • VÖ: Netflix
  • FSK. 12
  • Genre: Tragikomödie
  • Laufzeit: 98 Min.
  • Kamera: Seamus Tierney
  • Musik: Roger Neill
  • Buch & Regie: Lauren Miller Rogen
  • Darsteller: Kristen Bell, Danielle Davenport, Kimiko Glenn, Wynter Kullman, Kelsey Grammer, Brett Gelman, Seth Rogen
  • OT: Like Father (USA 2018)
Als Netflix gerade anfing, sich nicht bloß im Serien-, sondern auch im Filmsegment zu behaupten, gab es eine kurze Zeit, in der der Streamingdienst sich als eine Art „Qualitätsrettung“ präsentieren konnte. Nur dank Netflix ließ sich Cary Fukunagas Rassendrama «Beasts of no Nation» finanzieren. Auch der Oscar-prämierte Dokumentarfilm «Ikarus» sowie Bong Joon-hos markerschütterndes Drama «Okja», um nur einige zu nennen, entstanden mithilfe von Geldern des Portals. Bekanntermaßen war es ebenfalls der Netflix-Konzern, der sich bereiterklärte, Alex Garlands für das Mainstream-Publikum als „zu komplex“ abgestempelte Romanverfilmung «Auslöschung» bei sich zu veröffentlichen, damit nicht bloß das US-Publikum die Gelegenheit hat, das Science-Fiction-Meisterwerk sehen zu können.

Dann kündigte Netflix im Mai 2018 an, das Angebot an eigenproduzierten Filmen und Serien bis Ende 2018 auf bis zu 1000 ausbauen zu wollen. Und sicher gab es auch schon davor den ein oder anderen selbstproduzierten Rohrkrepierer auf dem Portal zu sehen; einen nicht unerheblichen Anteil daran trägt auch der Exklusivdeal mit Adam Sandler, der unter anderem «The Ridiculous 6» und «The Do-Over» hervorbrachte. Trotzdem bestand das Angebot an Netflix-Originalen für einige Zeit vorwiegend aus lauer Mittelklasseware. «Wie der Vater...» ist dafür das perfekte Beispiel. Die Tragikomödie mit Kristen Bell und Seth Rogen ist gerade gut besetzt und solide produziert genug, damit die Veröffentlichung bei Netflix keine Blamage bedeutet. Aber weshalb das Langfilmdebüt der Seth-Rogen-Gattin Lauren Miller Rogen nicht ins Kino kam, ist doch sehr offensichtlich: «Wie der Vater...» ist einfach in jeder Hinsicht langweilig.



Versöhnung auf dem Luxusdampfer


Es ist der Albtraum einer jeden Frau: Nach dem die ehrgeizige Rachel nicht einmal auf ihrer eigenen Hochzeit ihre Hände vom Smartphone lassen kann, wird sie noch vor dem Traualtar von ihrem Verlobten sitzengelassen. Sie trägt es mit Fassung, bis sie unter den Hochzeitsgästen ihren Vater Harry (Kelsey Grammer) entdeckt. Seit Jahren besteht zwischen den beiden kein Kontakt mehr, doch ausgerechnet die geplatzte Heirat führt die beiden wieder zusammen. Kurzerhand disponiert Rachel um: Aus den Flitterwochen auf einem Luxusdampfer wird eine Versöhnungsreise zwischen Vater und Tochter, auf der die hübsche junge Frau nicht bloß wieder zu sich selbst findet, sondern auch noch den charmanten Jeff (Seth Rogen) kennenlernt, der genau wie sie gerade von seiner Liebsten verlassen wurde…

Spätestens seit Maren Ades «Toni Erdmann» wissen wir, wie unterhaltsam es zugehen kann, wenn zwei sich auseinandergelebte Familienmitglieder auf Biegen und Brechen versuchen, wieder Interesse für ihr Gegenüber aufzubringen. In dem knapp dreistündigen Kritikerliebling ließ Sandra Hüller nie einen Zweifel daran aufkommen, dass sie für ihren Filmvater Peter Simonischeck zunächst nicht den Hauch von Interesse aufbringt. Stattdessen benötigt es viel Geschick von ihm, sie wieder von sich und für so etwas wie Familienleben zu begeistern. Natürlich wäre es ein wenig unfair, einen Ausnahmefilm wie «Toni Erdmann» als Maßstab anzusetzen. Aber anhand dessen lässt sich schnell erörtern, weshalb «Wie der Vater...» noch nicht einmal im Ansatz mit vergleichbaren Emotionen aufwartet, obwohl die Ausgangslage per se gar nicht so unterschiedlich ist: Die von Kristen Bell («Bad Moms») solide gespielte Rachel und der von Kelsey Grammer («Bad Neighbors 2») nicht minder sympathisch verkörperte Harry werden zwar als dysfunktionales Vater-Tochter-Gespann eingeführt, aber von den persönlichen Differenzen unter den beiden bekommt man von Anfang an kaum etwas zu spüren.

Würde Rachel nicht selbst andauernd betonen, dass sich die beiden ja ewig nicht gesehen haben, so käme man nie auf die Idee, dass zwischen ihnen überhaupt so etwas wie ein Zwist herrscht. Eine dramatische Fallhöhe kann so zwangsläufig überhaupt nicht entstehen.

Trotzdem ist es fast schon angenehm, dass sich in «Wie der Vater... » nichts zu einer austauschbaren Hysterie hochschaukelt (mit Ausnahme eines herbeikonstruierten Missverständnisses im finalen Drittel, das leider sehr klischeehaft aufgelöst wird). Stattdessen gehen die beiden Hauptfiguren sehr respektvoll und schlichtweg normal miteinander um, wenn sie in ruhigen Dialogen ihre, so wird es zumindest behauptet, schwierige Vergangenheit aufbereiten. Doch bis auf die durchaus charmante Empörung, dass Rachel ihren Dad ja noch nicht einmal gegoogelt habe (was sich natürlich später als trotzige Lüge herausstellt), kommt dabei nicht sonderlich viel rum. Ohne direkt den ganz großen Krach heraufzubeschwören, bleiben die zwei bei ihren verbalen Auseinandersetzungen einfach viel zu brav und konzentrieren sich vorwiegend auf so austauschbare Probleme wie Rachels Karriere, die sie stets ihrer Familie vorgezogen habe und die Entscheidung des Vaters, sich irgendwann einfach aus dem Staub gemacht zu haben.

Die Interaktion der beiden bleibt dabei dennoch die meiste Zeit auf einem nahezu freundschaftlichen Niveau, sodass sich die angesprochenen Konflikte und der Umgang unter den beiden beißen.

Nicht nur die Interaktion der beiden bleibt harmlos, auch beim ganzen Drumherum auf einem (immerhin echten!) Kreuzfahrtschiff hakt das Skript (ebenfalls Lauren Miller Rogen) lediglich austauschbar verschiedene Stationen einer klassischen Familienzusammenführung ab. Da gibt es die Urlaubsbekanntschaften, die durch ihren Blickwinkel von außen nochmal ganz neue Erkenntnisse in die Schose bringen, da sind die gemeinsamen Unternehmungen an wundervoll fotografierten Kulissen, wodurch Vater und Tochter immer neuen Gesprächsstoff finden und am Ende werden Rachel und Harry auch noch zum gemeinsamen Karaoke-Singen genötigt. Das sehr charmante Kennenlernen zwischen der stehengelassenen Fast-Ehefrau und dem hier sehr zurückhaltend aufspielenden Seth Rogen («Das ist das Ende») als ebenfalls verlassener Kreuzfahrtgast hätte dagegen deutlich mehr Aufmerksamkeit vertragen.

Denn die sich ansonsten eher kontraproduktiv auf die Erzählung auswirkende Unaufgeregtheit passt hier perfekt, um ganz ohne Klischees die vorsichtige Annäherung zwischen Mann und Frau zu zeigen. Schade, dass das Skript diesen Ansatz nicht weiter verfolgt.

Fazit


Die auf einem echten Kreuzfahrtschiff gedrehte Tragikomödie «Wie der Vater...» erzählt eine austauschbare Geschichte darüber, wie sich zwei entfremdete Familienmitglieder wieder annähern. Da man allerdings nie den Eindruck hat, Vater und Tochter seien sich tatsächlich nicht grün, mangelt es der Netflix-Produktion durchgehend an Emotionen.

«Wie der Vater...» ist bei Netflix streambar.

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