Die Kritiker

«Südpol»

von   |  2 Kommentare

Der österreichische Fernsehfilm mit Juergen Maurer und Lili Epply scheint seinem Publikum ein Interesse für seine leise, feinfühlige Geschichte nicht zuzutrauen – und erzählt sie doch angenehm unprätentiös.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Juergen Maurer als Hans Wallentin
Lili Epply als Ella
Laurence Rupp als Mario
Franziska Weisz als Hanna Moll
Dominik Warta als Gussnik
Susanne Wuest als Bauer
Caroline Peters als Sandra

Hinter der Kamera:
Produktion: Allegro Filmproduktionsges mbH
Drehbuch und Regie: Nikolaus Leytner
Kamera: Hermann Dunzendorfer
Produzent: Helmut Grasser
Die Erkenntnis, dass man das ganze Leben falsch gelebt hat, muss fürchterlich bitter sein – erst recht wenn man Anfang 50 ist, sein ganzes Selbstwertgefühl aus dem einträglichen und fordernden Posten im mittleren Management sowie dem damit einhergehenden finanziellen Lebensstandard bezogen hat, und auf einmal von seinem undankbaren Vorgesetzten vor die Tür gesetzt wird. Irgendwann sitzt man dann auf der Herrentoilette, hält sich eine Knarre unters Kinn und überlegt sich ernsthaft, ob es nicht besser für alle Beteiligten wäre, wenn man sich nun einfach die Rübe wegpusten würde.

Weil man für die letzte Konsequenz zu feige ist, lässt man es doch bleiben. Nur, um bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit erneut überzureagieren. Das ist die Geschichte von Hans (Juergen Maurer), der sein berufliches Ende zum Anlass einer radikalen Lebensabrechnung nimmt. Er zieht unter eine zur Routine gewordene Ehe einen Schlussstrich und lässt sich scheiden, er verlässt das gemeinsame Haus, zertrümmert in Wutausbrüchen die Hotelzimmer, in denen er von nun an kampiert – und findet Gefallen an einer jungen Meeresbiologiestudentin namens Ella (Lili Epply), die in einer „Südpol“ genannten Absteige als Kellnerin arbeitet. In ihren langen Tischgesprächen stellen wir mit einigem Erstaunen fest, wie viele (psychologische) Gemeinsamkeiten ein mittelalter Mann aus dem mittleren Management und eine junge, ambitionierte Frau mit nicht ganz einfacher Familiengeschichte und bevorstehendem Lebensumbruch haben können.

Vermutlich, weil dieser Film seinem Publikum nicht vertrauen will, sich für eine solch lebensfundamentale, eher leise, eher betrachtende Geschichte zu interessieren, stellt er ihre Klimax mit allerhand Krawumms voran, um damit auch einige Krimi-Rätsel zu etablieren, die nach und nach (aber dramaturgisch angenehm zweitrangig) dechiffriert und aufgedeckt werden dürfen: Eines Nachmittages fuchtelt Hans Ella mit einer Pistole vor dem Gesicht herum, nimmt sie als Geisel und verschanzt sich mit ihr im „Südpol“ – und die ersten zwanzig Minuten müssen wir mit allerhand Polizeigefasel verbringen, und bemühten Plantings des Offensichtlichen: Täter und Opfer kennen sich, aber woher: Das wird noch nicht verraten.

Zum Glück wird dieser behelfsmäßigen Kriminalgeschichte nie die Oberhand zugestanden und der Fokus bleibt auf der feinsinnigen Betrachtung eines Mannes, der sich im mittleren Lebensalter auf Sinnsuche begibt, und einer jungen Frau, die ihn erstaunlich gut verstehen und gleichzeitig selbst an ihm reifen kann. Dass ihre Beziehung niemals in billiger Weise sexualisiert wird, darf man als Beweis für die Ernsthaftigkeit dieses Films verstehen. Derweil mag man den Auslöser für Hans‘ Lebensumkrempelung vielleicht etwas generisch und zu allgemein erzählt finden: Doch Juergen Maurer gelingt es hervorragend, über manche weiße Flecken der inneren Logik gekonnt hinwegzuspielen, auch wenn ihm eine deutlichere Präzisierung des Innenlebens seines Charakters vielleicht noch eine stärkere künstlerische Basis mitgegeben hätte. Nicht minder gut gefällt Lili Epply, die mit großem künstlerischen Feingefühl und ihrer unprätentiösen Spielart eine wunderbar greifbare, differenzierte, ambivalente Figur erschafft.

Das Erste zeigt «Südpol» am Mittwoch, den 11. März um 20.15 Uhr.

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Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
Sentinel2003
11.03.2020 10:50 Uhr 1
OMG, das ist die erste postive Film Kritik von dir, seit ich deine Kritiken lese....unglaublich!!!
Nr27
12.03.2020 18:21 Uhr 2
Ähem, zwei Tage vorher hat Julian "Unterleuten" sogar mit 75% bewertet ...

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