Die Kino-Kritiker

«Weathering With You – Das Mädchen, das die Sonne berührte» - Wunderschönes Kino

von

Ein Junge trifft ein Mädchen und verliebt sich. Neu ist die Ausgangssituation von Makoto Shinkais neuem Film nicht. Aber selten hat man diese Geschichte schöner im Kino zu sehen bekommen.

Filmfacts: «Weathering With You – Das Mädchen, das die Sonne berührt»

  • Kinoauswertung: 16 und 19. Januar 2020
  • Genre: Fantasy / Anime
  • FSK: 0
  • Laufzeit: 114 Min.
  • Musik: Radwimps
  • Buch und Regie: Makoto Shinkai
  • OT: 天気の子 / Tenki no Ko (Japan 2019)
2016 überrollte Makoto Shinkai förmlich das japanische Kino mit seinem Körpertausch/Coming-of-Age-Märchen «Your Name. – Gestern, heute und für immer». In einer Zeit, in der die Qualität eines Filmes immer auch an seinem Einspielergebnis gemessen wird, sprechen die etwa 235 Millionen Dollar, die der Film alleine in Japan durch seine Kinoauswertung erwirtschaftet hat, eine unmissverständliche Sprache. «Your Name» war eine vollkommen unerwartete Sensation und so erhielt der Anime im Januar 2018 auch in Deutschland einen kleinen, aber feinen Kinostart (mehr zu «Your Name» gibt es hier).

Mit Spannung haben nicht nur Genrefans auf das neue Werk von Makoto Shinkai gewartet. Und der 1973 geborene japanische Regisseur und Drehbuchautor enttäuscht nicht. Zwar erzählt er in «Weathering With You» erneut eine in ein Fantasy-Korsett gewandete Coming-of-Age-Geschichte, - das Thema des Erwachsenwerdens zieht sich durch seine gesamte Filmografie , doch die Liebe, mit der er seine Figuren zeichnet, lassen diese thematische Wiederholung vergessen.

Fehlstart in Tokio


Oberschüler Hodaka hält es in der Enge seiner Heimatprovinz nicht mehr aus und flüchtet regelrecht nach Tokio. Die Wünsche und Träume aber, die ihn begleiten, werden um ein Haar bereits auf der Fähre in die japanische Hauptstadt beendet - als eine durch ein plötzlich aufziehendes Unwetter entstandene Welle das Schiff erfasst und Hodaka fast über Bord spült. Doch Hodaka hat Glück. Ein ziemlich heruntergekommener Typ namens Keisuke rettet ihn – und lässt sich auf seine Kosten erst einmal zu einem anständigen, für Hodaka ziemlich teures Mittagessen einladen. Überhaupt das Geld. Kaum in Tokio angekommen, stellt Hodaka fest, dass das Leben sehr teuer ist. Vor allem für einen Jungen, der nicht einmal offiziell in der Stadt arbeiten darf. Vor dem Gesetz gilt er als Schüler mit 16 Jahren als Minderjähriger und – Ausreißer. So schlägt er sich die ersten Nächte auf der Straße durch, findet eine Absteige, die bei dem Alter nicht ganz genau hinschaut, und ernährt sich hauptsächlich von Suppen. Jeder Versuch eine Hilfsarbeit zu finden endet in dem Moment, in dem er nach seinem Ausweis gefragt wird.

Entkräftet schläft er eines abends in einem Fastfood-Restaurant ein – um vom Geruch eines saftige Cheeseburgers geweckt zu werden. Und dann steht sie vor ihm. Hina. Ein Mädchen, das er auf der Fähre schon einmal gesehen hat. Sie lächelt und bittet ihn nicht zu verraten, dass sie ihm den Burger schenkt.

So magisch dieser Moment für Hodaka – nicht nur des Burgers wegen - auch sein mag, er ist nur kurz. Wieder auf der Straße bleibt dem Jugen nichts anderes übrig als Keisuke aufzusuchen. Der hat ihm auf der Fähre seine Karte gegeben und angeboten, dass, sollte er mal in Problemen stecken, einfach bei ihm anklopfen kann. Keisuke entpuppt sich als Herausgeber, Redakteur und Autor eines drittklassigen Okkultismus-/Trash-Magazins, das er mit seiner jungen Assistentin Natsumi betreibt. Tatsächlich gibt er Hodaka einen ziemlich mies bezahlten Job als Mädchen für alles, dafür lässt er ihn sogar bei sich wohnen.

Über die Arbeit beim Magazin kreuzen sich erneut die Wege von Hodaka und Hina, denn da gibt es die Geschichte des Sonnenmädchen, das angeblich durch ihre Gebete das Sonnenlicht zurückholen kann. Tokio könnte in diesen Tagen etwas Sonne vertragen. So erfährt Hodaka, dass Hina bald 18 wird, als Vollwaise versucht, ihren kleinen Bruder Nagi eine gute Ersatzmutter zu sein – und dass die Geschichte des Sonnenscheinmädchen sehr real ist.

Wunderbare Charaktere


Regisseur Makoto Shinkai stammt aus einer kleinen Provinzstadt und seine Liebe zu Coming-of-Age-Geschichten lässt auf eine autobiografische Sehnsucht schließen. Der Sehnsucht des Jungen vom Land nach dem Leben in der großen Stadt. Einer Stadt, die jedoch Jungs wie Hodaka ablehnt und kalt empfängt. Es ist demnach wenig verwunderlich, dass sämtliche Hauptfiguren des Filmes Außenseiter sind. Hodaka, Hina, das Mädchen, das sich für ihren Bruder aufopfert. Keisuke, der irgendwie einfach über die Runden kommen will. Und Natsumi, die mit einem vorlauten Mundwerk gesegnet, in der hierarchisch geprägten Gesellschaftsstruktur Japans ebenfalls irgendwie am falschen Platz geboren zu sein scheint.

Allein diese Figuren, herzlich, kantig, liebenswert, würden schon ausreichen, ein kleines Drama mit großem Leben zu erfüllen. Doch «Weathering With You» ist eben nicht nur ein kleines Drama über Außenseiter, es ist eben auch eine große Fantasygeschichte über ein Mädchen mit besonderen Kräften. Wenn sie den Himmel aufreißt über einer Stadt, in der es pausenlos zu regnen scheint, dann öffnet sie die Herzen der Menschen und bringt sie zum Lachen; sie erfüllt ihnen ihre kleinen Wünsche. Und wie das Publikum gar nicht anders kann als Hina zu lieben, so kann auch Hodaka nicht anders als sein Herz an Hina zu verschenken. Aber Geschichten über Menschen mit wunderbaren Gaben sind selten Geschichten des ungetrübten Sonnenscheins. Es verwundert nicht, dass ein dunkler Schatten über Hinas Gabe liegt.



Mit leichter Hand


Wiederholen konnte Makoto Shinkai den Erfolg seines Vorgängerfilmes mit «Weathering With You» nicht. Bei einem Einspielergegbnis von 101 Mio Dollar (nur in Japan) dürfte sich die Enttäuschung allerdings in Grenzen halten. Was der Film gekostet hat, wird von der Produktionsfirma CoMix Wave Films ebenso unter Verschluss gehalten wie vom japanischen Verleiher Toho. Universum Anime als deutscher Verleiher setzt bei seiner Kinoauswertung auf das gleiche Prinzip, das er schon 2018 angewandt hat: Der Film wird nur am 16. und 19. Januar in den Kinos gezeigt. Anime-Fans wird dies freuen, sollten Kino Bedarf anmelden, sind weitere Termine möglich. Dabei ist «Weathering With You» mit so leichter Hand inszeniert, dass er durchaus über diese Fanzirkel hinaus Strahlkraft entwickeln könnte, wenn man ihn an sich heranlässt. Mit seinem eher sanften Humor, seiner fantasievollen Geschichte und seinen liebenswerten Charakteren vergisst man sehr schnell, dass all das, was man sieht, nur gezeichnet ist. Aber wer weiß, vielleicht kommt «Weathering With You» ja irgendwann ein zweites Mal in die Kinos. Neu verfilmt mit höchst lebendigen Schauspielerin in den Hauptrollen. Nein, geplant ist da nichts. Nachdem allerdings J.J. Abrams (mit seiner Produktionsfirma Bad Robot) und Paramount die Rechte an «Your Name» erworben haben, um eine Realverfilmung zu produzieren, sollte man so etwas nicht zwingend ausschließen.

Fazit: Mit seiner fantasievollen Handlung und seinen wunderbaren Figuren zaubert «Weathering With You» dem Kinobesucher zwei Stunden ein Lächeln aufs Gesicht und ist ganz einfach das, was man schlichtweg einen schönen Film nennt.

«Weathering With You – Das Mädchen, das die Sonne berührt» ist am 16. und 19. Januar in ausgewählten Kinos zu sehen.

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