Serientäter

Ist «The Witcher» der nächste große Fantasy-Hit?

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Netflix wagt mit «The Witcher» den ersten großen Angriff auf den Fantasy-Thron in der Zeit nach «Game of Thrones». Dabei dürfen Fans nun auch in Serienform in das Universum von Autor Andrzej Sapkowski tauchen. Netflix ist mit der ersten Staffel eine Adaption gelungen, die für Fantasy-Fans ein Muss ist und sowohl Buch- als auch Videospiel-Fans begeistern dürfte.

Fakten zur ersten Staffel

  • Genre: Fantasy, Action
  • Premiere: 20. Demzember 2019
  • Episodenzahl: 8
  • Buchvorlage: Geralt-Saga von Andrzej Sapkowski
  • Showrunner: Lauren Schmidt Hissrich
  • Regie: Alik Sakharov, Alex Garcia Lopez, Charlotte Brändström, Marc Jobst
Mit «The Witcher» liegt Netflix ein riesiges Fantasy-Universum zu Füßen, dass von zahlreichen Fans geliebt wird, ohne dass der Stoff bisher von einem großen internationalen Studio in Film und Fernsehen beleuchtet wurde. Perfekt also, um eine neue große Serien-Marke aufzubauen. Als vor gut drei Jahren klar wurde, dass «Game of Thrones», der Fantasy-Hit schlechthin, noch 2019 Enden würde, begaben sich die großen aufstrebenden Streamingdienste in Lauerstellung, um das entstehende Fantasy-Loch zu stopfen. Während es Amazon mit dem ganz großen Namen «Der Herr der Ringe» probieren will, setzt Netflix auf den Hexer aus Riva, der vor allem durch die dreiteilige Videospiele-Reihe «The Witcher» von CD Projekt Red in Gamingkreisen große Beliebtheit erlangte. Genauso wie die Videospiele, die zu den besten Rollenspielen aller Zeiten zählen, basiert die gleichnamige neue Netflix-Serie auf den Büchern des polnischen Autors Andrzej Sapkowski.

Obwohl die Videospielreihe wohl der bekannteste Teil des «Witcher»-Universums ist, soll sie wenig mit der Serie zu tun haben – zumindest wenn es nach dem Willen des Buchautors geht, der nicht gut auf den Riesenerfolg der Videospiele und das Medium an sich zu sprechen ist (Mehr dazu hier in einem Überblicks-Artikel über die Produktion erfahren). So kommt es, dass die Geschichte des Protagonisten Geralt von Riva (Henry Cavill) in der Serie vor den Geschehnissen der Rollenspielreihe ansetzt und in der ersten Staffel hauptsächlich eine Mischung der Erzählungen aus dem ersten Kurzgeschichtenband «Der letzte Wunsch» der Pentalogie Sapowskis ist.

Fantasy von der ersten Minute an


Im Mittelpunkt der Serie steht der Hexer Geralt von Riva. Er lebt in einer düsteren Welt, die von Menschen kontrolliert wird, aber auch unzählige Fabelwesen und Monster beinhaltet. Seine Aufgabe ist es Menschen gegen Bezahlung von ihren Problemen mit Monstern aller Art zu befreien. Als Mutant, der durch das Schlucken von Tränken und Wirken von Zauber-Zeichen übernatürliche Kräfte erlangt, ist er in der Bevölkerung nicht sehr angesehen und wird von den meisten sogar verachtet. Menschen wenden sich ihm nur zu, wenn sie wirklich auf seine Hilfe angewiesen sind. So muss Geralt seinen Platz in einem Universum voller Gefahren, Neid und Intrigen finden. In der ersten Staffel erlebt er unter anderem zusammen mit seinem Freund Rittersporn (Joey Bartey), der als Sidekick fungiert, verschiedene Abenteuer, die zum Teil Folge für Folge nur lose aufeinander aufbauen. Mit Hilfe des Barden erarbeitet er sich einen Ruf als weißer Wolf und fängt an in einer übergeordneten Geschichte eine Rolle zu spielen.



Die Geschichte von Geralt wird dabei in einem von drei Hauptsträngen erzählt. Neben ihm stehen auch die Hexe Yennefer (Anya Chalotra) und Ciri (Freya Allan), Prinzessin des Königreichs Cintra, im Vordergrund. Während der Zuschauer bei Yennefers wichtigen Charakterentwicklungen von Anfang an dabei ist, wird um Ciri – genauso wie in den Büchern und den Spielen – ein großes Mysterium gesponnen. Der rote Faden, der sich durch die erste Staffel zieht, ist Ciris Flucht vor dem Königreich Nilfgard und dem schwarzen Ritter Cahir (Eamon Farren), während sie auf der Suche nach Geralt ist. Gerade am Anfang der Handlung lebt die Geschichte rund um Ciri ein großes Tempo im High-Fantasy-Setting vor. Dadurch wirkt sie nicht immer ganz rund und erinnert teilweise an die Erzählweise der letzten beiden «Game of Thrones»-Staffeln. In ihrem Strang weicht das eigentlich dreckige «Witcher»-Setting zu Beginn einer hochglanzpolierte High-Fantasy-Welt. Somit wird schon in der ersten Folge klar, dass «The Witcher» voll auf Fantasy setzt und daher eher an Werke, wie «Der Herr der Ringe», als an Mittelalterszenarien, wie zum Beispiel «The Tudors» erinnert. Selbst das große «Game of Thrones» hat am Anfang eher zurückhaltend mit Fantasy-Elementen gearbeitet, so dass sich die Welt noch sehr mittelalterlich mit menschlichen Problemen im Vordergrund anfüllte. Erst nach und nach wurde «Game of Thrones» doch noch zu einem reinen Fantasy-Epos. Bei «The Witcher» bekommt man schon in den ersten Minuten die volle Fantasy-Dröhnung und wird immer wieder mit neuen ungewöhnlichen Ideen an das fiktionale Setting erinnert. Weltliche Konflikte sind hier definitiv den Übernatürlichen untergeordnet.

Kikimora, Sukkubs und Co – Einsteigerfreundlich?


Während sich in der Hexer-Reihe natürlich auch klassische Fabelwesen, wie Elfen oder Zwerge, herumtummeln, sticht die Welt von Andrzej Sapkowski im Vergleich zu anderen Fantasy-Werken durch den besonderen Einfluss der slavischen Folklore heraus, die den meisten eher weniger geläufig sein wird. Neben Dschinn oder Dyaden sind in der Serie daher auch Wesen zu finden, von denen der normale Zuschauer wahrscheinlich noch nie etwas gehört hat. Zum Beispiel muss sich Hauptcharakter Geralt in der dritten Folge mit einer Striege herumschlagen oder kämpft in der allerersten Szene der Serie gegen eine Kikimora (Insektenähnliches Monster).

Bei all den verschiedenen Namen ist es schwer den Überblick zu behalten. Nicht nur wegen der ungewöhnlichen Geschöpfe aus der slavischen Mythologie, sondern auch wegen der kompliziert gestrickten Handlung. Wer vom «The Witcher»-Universum vor dem ersten Ansehen noch nichts gehört hat - also weder die Buchreihe noch die Videospiele kennt - , der wird sicher einige Fragezeichen während des Streamings im Kopf haben. Selbst als eingefleischter «Witcher»-Fan ist es manchmal schwer, den Überblick zu behalten. Zwar schafft es die Serie gut einzuordnen, welche Stellung die wichtigen Charaktere in der düsteren Welt haben, in welchem Zusammenhang die einzelnen Handlungselemente aber gerade stehen und wie sie zeitlich in Relation zu setzen sind, ist nicht immer klar. Große zeitliche Sprünge zwischen den Folgen - vor allem in den Geschichten von Geralt und Yennefer - gehören zur Tagesordnung. Das ist jedoch nicht jedermanns Sache, gerade wenn man als «GoT»-Zuschauer aus der Zielgruppe der neuen Serie stammt und daher noch vorbehalten auf diese Erzählweise reagieren könnte. Hier wird besonders deutlich, dass die Handlung der ersten Staffel auf einer Sammlung von Kurzgeschichten basiert.

Starker Cast, starke Choreografien


Hauptdarsteller «The Witcher»

  • Henry Cavill als Geralt von Riva
  • Freya Allan als Prinzessin Ciri,
  • Anya Chalotra als Yennefer von Vengerberg
  • Jodhi May als Königin Calanthre
  • Björn Hlynur Haraldsson als Eist Tuirseach
  • Adam Levy als Mousesack
  • MyAnna Buring als Tissaia
  • Mimi Ndiweni als Fringilla
  • Therica Wilson-Read als Sabrina
  • Millie Brady als Prinzessin Renfri
Durch die immer wiederkehrenden Zeitsprünge fällt es auch etwas schwerer schnell eine Bindung zu den Charakteren aufzubauen, wäre da nicht die grandiose schauspielerische Leistung der Hauptdarsteller, die dieses Manko wieder auffängt. Vor allem die Performance von Henry Cavill als Geralt soll hier hervorgehoben werden. Er schafft es den einzigartigen und anspruchsvollen Charakter des mürrischen Hexers nahezu perfekt herüberzubringen. Sowohl Buchleser als auch Videospiele-Fans dürften „ihren Geralt“ in der neuen Adaption wiedererkennen und kaum etwas daran auszusetzen haben. War der Aufschrei zunächst noch groß, als bekannt wurde, dass der platte „Superman“ den Hexer aus Riva spielen würde, so kann man Netflix im Nachhinein für das Casting nur loben.

Auch an eine Triss Merrygold (Anna Shaffer), die sich äußerlich stark vom Bild der Videospiel-Adaption unterscheidet, kann man sich gewöhnen. Immerhin war mit solchen großen Abweichungen zu den Spielen zu rechnen, da sie auf Grund der Abneigung des Autors eigentlich keine Rolle für die Produktion spielen sollten. Angesichts dieser Tatsache fallen die Unterschiede gar nicht mal so groß aus. Stimmung, Setting und Charakterzüge von Spiel und Serie liegen überraschend eng aneinander. Dafür sorgt auch die musikalische Hintergrundgestaltung, die den «Witcher»-Spielen in nichts nachsteht und quasi direkt aus den Games stammen könnte. Genauso wie «Game of Thrones» oder «Herr der Ringe» hat die neue Serie den notwendigen besonderen Soundtrack. Ein „Witcher in Concert“ wird es also mit Sicherheit in Zukunft ebenfalls geben. Schließlich fanden in der Vergangenheit auch schon einzelne Konzerte des Videospiel-Soundtracks von Marcin Przybyłowicz statt.



Auch in anderen Dingen kann Netflix‘ erste «The Witcher»-Staffel mit großen Fantasy-Marken ohne Probleme mithalten. Schon in der ersten Folge zeigt sich, dass sich die Serie hinsichtlich actionreicher Kampfsequenzen nicht vor großen Produktionen wie «Game of Thrones» verstecken muss. So wird einigen Schwertkampf-Fans in den letzten Minuten der ersten Folge sicher das Wasser aus dem Mund gelaufen sein, denn die Kampf-Choreografien waren 1A und sahen spitze aus. Hier wurde das bewährte Handwerk beliebter Fantasy-Werke in vollen Zügen abgespielt. In der Serie mangelt es also nicht an Blut, Brutalität oder nackter Haut. Allgemein sieht die Produktion für die erste Staffel einer Streaming-Serie sehr hochwertig aus. Klar sieht man an manchen Stellen, wo noch nicht genügend Budget vorhanden war, vergleicht man es aber mit der ersten «Game of Thrones»-Staffel, so kann man nicht meckern. So etwas war von Netflix allerdings auch zu erwarten, wenn man wirklich in die Lücke des Fantasy-Hits schlechthin hineinpreschen will. Da muss man schon mit einem Überdurchschnittlichen Aufwand für eine erste Staffel daher kommen.

Fazit – Ein Muss für Fantasy-Fans


Alles in allem ist «The Witcher» eine neue erstklassige Fantasy-Produktion, die auf jeden Fall das Potenzial hat, in die Fußstapfen von «Game of Thrones» zu treten. Noch hat man den zeitlichen Vorteil gegenüber der Konkurrenz. Wenn einmal sowohl Amazons «Herr der Ringe»-Serie als auch das erste HBO-Spin-Off von «Game of Thrones» auf dem Markt sein wird, wird sich zeigen müssen, welcher neue Fantasy-Hit sich am Ende durchsetzen wird. «The Witcher» hat mit der ersten Staffel auf jeden Fall einen guten Grundstein gelegt, der Lust auf mehr machen sollte. Für die tiefgründige Welt des Hexers kann man sich als Fantasy-Fan nur einen ähnlichen Aufstieg wie bei «Game of Thrones» wünschen, so dass der epischen Schöpfung Sapkowskis künftig keine cineastischen Grenzen gesetzt werden. Selbsterklärend ist die neue Serie für alle, die sich schon mit dem Hexer-Universum beschäftigt haben, ein Muss. Wer bisher noch keinen Kontakt zu Geralt und Co hatte, der sollte unbedingt mit voller Aufmerksamkeit dabei sein oder sich im besten Fall vorher in die Welt einlesen, um die Serie optimal genießen zu können. Wer mit Fantasy kaum etwas am Hut hat, der wird einen schweren Einstieg haben, da viele Eigenarten des Universums nicht erklärt werden und man sich einiges selbst erschließen muss. Ohne Vorwissen ist die Serie nicht wirklich etwas für einen angenehmen und seichten Fernsehabend. Es lohnt sich aber auf jeden Fall, sich für die Serie in die Hexer-Welt hinein zu arbeiten. Netflix ist eine sehr gute actionreiche Adaption des Stoffes mit einem talentierten Cast gelungen.

«The Witcher» ist ab sofort bei Netflix verfügbar.

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Es gibt 4 Kommentare zum Artikel
Familie Tschiep
20.12.2019 13:53 Uhr 1
Ich glaube, es gibt ein Missverständnis. Game of Thrones ist Fantasy, aber nicht nur. Irgendwie wirkte es wie ein modernes Dallas oder ein modernes Dynasty, was in Mittelalterkulisse abspielt und einige Fantasymomente hatte. Man kann es auch ein Krieg und Frieden in einer Fantasyserie bezeichnen. Ich glaube, dieser Teil des Erfolges wird kontinuierlich unterschätzt. Natürlich sind die Fans, die die dunkle Anmutung als dark and gritty loben, lauter.
Kingsdale
20.12.2019 14:53 Uhr 2
Hä? Verstehe nicht was mein Vorkommentator da meint!



Nun, um es als Nachfolger zu GoT zu bezeichnen, fehlt do noch etwas, aber es kommt recht nah ran. Der Fantasy-Einsatz kommt anfangs etwas zu kurz, aber ich hab auch erst nur drei Folgen gesehen. Doch die Optik ist Klasse und das Setting der Hammer. Vieles erinnert wirklich an GoT, auch wenn (so vermute ich) hier nicht so viele Nackszenen und Blutfontänen geben wird wie bei GoT. Ich glaube auch nicht, das es solch einen Erfolg haben wird, aber jeder der GoT mochte, sollte auch hier einen Blick riskieren. Der Anfang ist schon mal sehr gut und werde mir die Tage über die weiteren Folgen anschauen.
Familie Tschiep
20.12.2019 16:38 Uhr 3
Der Erfolg von Game of Thrones liegt nicht allein daran, dass es eine Fantasyserie ist, sondern dass es die indirekte Nachfolge von Dallas und Dynasty angetreten ist. Das Mittelaltersetting mit Fantasyanleihen war nur ein Teil des Erfolgs, wahrscheinlich der unwichtigere. Mit einer Familiensagageschichte kann auch eine Fantasyserie im Barocksetting erfolgreich sein.
LittleQ
20.12.2019 17:45 Uhr 4
Also wer die Videospiele mag, muss nicht unbedingt die Serie mögen. Serie/Buch und Videospiele zeigen zwei unterschiedliche Geralts. Gewöhnt man sich an einen, wird es ein bisschen schwer sich den anderen anzuschauen, zumal ich die Besetzung con Triss und Yennefer wirklich furchtbar finde.
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