Popcorn & Rollenwechsel

Der ungekrönte König der realen Löwenfilme

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Er ist der Sieger dank schierer Masse: «Roar» bietet zirka 150 Großkatzen, darunter zahlreiche Löwen, die mit dem menschlichen Cast, naja, rangeln ..?

Die Floskel "Solche Filme macht man heute nicht mehr", wird massiv überreizt. Aber auf diesen Film aus dem Jahr 1981 trifft sie zweifelsohne zu: «Roar» von Noel Marshall handelt von einem Amerikaner, der allein mit einem Haufen Wildkatzen in einem Haus in Afrika lebt – und eines Tages Besuch von seiner Familie erhält, die nicht darauf vorbereitet ist, dass sich überall Löwen, Geparden, Tiger und Jaguare tummeln. Viel mehr Handlung hat der Film nicht so wirklich, aber über 100 Minuten Laufzeit lassen sich problemlos füllen, wenn man einen menschlichen Cast auf eine Horde nicht dressierter Wildkatzen loslässt: Marshalls Abenteuerkomödie rühmt sich im Vorspann damit, dass die Wildtiere in «Roar» quasi machen, was sie wollen, und zum Glück der Filmcrew schlicht oft das wollten, was der Film benötigte. Ja, so kann man das betont optimistisch ausdrücken.

Die Entstehungsgeschichte des Films war aber, wie man sich wohl denken kann, ein blutiger Albtraum: Die Wildtiere wurden zwar an die Präsenz von Menschen gewöhnt (ähnlich wie viele Jahre später am deutlich verantwortungsvoller produzierten «Mia und der weiße Löwe»), aber sonst nicht weiter trainiert. Wenn in «Roar» also Naturforscher Hank, während er über sein Gelände spaziert, erst von einer Löwin angesprungen wird, dann von einer zweiten und letztlich in einem Berg von Löwinnen begraben wird, dann ist das echt. Da wurden keine gezähmten Löwen vorsichtig angeleitet. Es sind keine Löwenkostüme im Spiel, geschweige denn Computeranimationen. Da wird Regisseur und Hauptdarsteller Noel Marshall tatsächlich unter vielen, vielen Kilogramm lebendem Tier begraben.

«Roar» ist insofern so etwas wie der pelzigste Snuff-Film, den man in Deutschland legal erwerben kann. Und wahrscheinlich auch der einzige: Die FSK hat «Roar» ab sechs Jahren freigegeben. Es fließt ja wenig Blut und es gibt kaum nervenaufreibende Szenen. Mit Robert Hawks amüsierter Musikuntermalung, den flotten Sprüchen, die die Darsteller aus sich zwängen (und in der Synchrofassung ist alles noch schlagfertiger, lockerer) und dem nahezu durchweg lächelnden Marshall im Mittelpunkt des Films positioniert sich «Roar» als Familienkomödie. Man kennt sie, diese Filme, in der eine Familie in Trubel gerät, weil ihre Haustiere sich daneben benehmen. «101 Dalmatiner», «Ein Hund namens Beethoven» und Co. halt. Nur, dass hier Großkatzen eine Küche zerlegen, Skateboard fahren, im Garten toben, die Haare der Tochter ankauen, einen unerwünschten Besucher anspringen, dem Protagonisten in den Oberschenkel beißen und sich nahezu unentwegt auf irgendjemanden fallen lassen.

Die schlimmsten Pannen vom Dreh sind in «Roar» nicht zu sehen. Kameramann Jan de Bont (der später «Speed» inszenieren sollte) wurde von einem Löwen skalpiert und musste mit über 120 Stichen genäht werden, Melanie Griffith wurde von einem Löwen ins Gesicht gebissen und musste daher mit 50 Stichen genäht werden, Noel Marshall wurde so oft gekratzt und gebissen, dass bei ihm im Laufe des Drehs eine Gangrän diagnostiziert wurde und Tipi Hedren wurde von einem Löwen in den Hinterkof gebissen.

Die größte Ironie des Ganzen: «Roar» ist ein Film, der sich auf die Fahnen schreibt, dass Wildkatzen harmlose Tiere sind, die Menschen nichts antun wollen. Daher auch der fast schon absurd muntere Tonfall des Films – und ein Abspann, der dringlich zu Tier- und Naturschutz aufruft. Dieser tierische Unfug findet also zu einem vernünftigen Schluss.

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