First Look

Amazon-Drama «Hanna»: Ein ganz normales Superheldenmädchen

von   |  2 Kommentare

Ein Hauch von Marvel, ein Hauch von Dschungelbuch: In den tiefen Wäldern wächst Hanna zu einem selbstbewussten Mädchen heran, das sich bald durch die Zivilisation kämpft.

Cast & Crew

  • Idee: David Farr
  • Darsteller: Esme Creed-Miles, Joel Kinnaman, Mireille Enos, Rhianne Barreto u.a.
  • Regie (E1/E2): Sarah Adina Smith
  • Ausf. Produzenten: David Farr, JoAnn Alfano, Tom Coan u.a.
  • Produktion: NBCUniversal, Focus Features, Amazon Studios für Amazon
  • Folgen: 8 in S1 (je ca. 50 Min.)
Einsame Stille. Eine junge Jägerin: Hanna. Das Mädchen, das im Wald aufwächst. Und keinen anderen Menschen kennt, außer ihren Vater. Jagen, lernen, essen, schlafen – und niemandem begegnen.

Ein Club. Laute Elektro-Musik, viel Alkohol, knutschende Teenager. Und Hanna, die ihre Sexualität entdeckt und mit einem Typen rummacht, animalisch.

Gegensätzlicher könnten diese zwei Szenarien kaum sein. Und doch stehen nur rund 60 Erzählminuten zwischen ihnen. Es wird schnell erzählt in der neuen Amazon-Serie «Hanna», die in acht Episoden die Geschichte des Films «Wer ist Hanna?» von 2011 aufgreift. Aus dem damaligen Actionfilm wird ein Coming-of-Age-Drama, also eine Geschichte übers Erwachsenwerden. Aber eben nicht von einem ganz gewöhnlichen Mädchen, sondern von Hanna, einer im Gentechnik-Labor gezüchteten zukünftigen Killermaschine. Doch kurz nach der Geburt rettet ihr Vater Erik sie vor diesem Schicksal – und flieht mit ihr. Die Flucht endet jedoch tödlich: Hannas Mutter stirbt bei einem Autounfall, Erik versteckt sich mit dem Baby in den Wäldern. Und baut sich von dort an ein einsames Leben abseits der Zivilisation auf, um Hanna großzuziehen.

15 Jahre später ist aus dem Baby eine junge Frau geworden. Hanna geht allein auf die Jagd und bringt Essen nach Hause. Sie lernt verschiedene Sprachen, die Vater Erik ihr beibringt. Und nebenbei noch Popkultur: Drei Songs der Beatles, drei große amerikanische Filme – darunter «Casablanca». Hanna wird nicht als dummes Mädchen erzogen. Aber sie kennt keine Kultur, keine Zivilisation, keine Gleichgesinnten. Irgendwann wird Hanna rebellisch, wie Teenager es eben so tun. Und entfernt sich viel weiter vom heimischen Versteck, als sie es beigebracht bekommen hat. So lernt Hanna einen gleichaltrigen Jungen kennen, den sie von nun an öfter besucht. Eins führt zum anderen – und schließlich zu einer neuerlichen Flucht vor den bösen Gentechnikern, die Hanna und Erik aufgespürt haben. Hanna wird gefangen genommen, kommt ins Gefängnis. Auch sie erneut eine Gefangene ist, nun nicht mehr bei ihrem Vater, sondern einer mysteriösen Organisation: Von diesem Moment an ist sie in der Zivilisation angekommen. Bei einer warmen Dusche. Und bei anderen Menschen. So viel sei verraten: Auch aus diesem Gefängnis kann sie fliehen. Und entdeckt von da an das echte Leben.

Bis zur anfangs beschriebenen Clubszene ist es dann nicht mehr weit. Und schon in Episode zwei fühlt es sich ein wenig so an, als hätten wir es mit einem relativ normalen pubertierenden Mädchen zu tun, das ihren Gefühlen freien Lauf lässt. Mit der Ausnahme, dass dieses Mädchen kampfsporterprobt ist und dutzende schwergewichtige, bewaffnete Männer im Fight bezwingen kann. Innerhalb der Story um genmanipulierte Babys wirken diese Szenen natürlich logisch und stimmig, sie fühlen sich trotzdem weird an. Auf der einen Seite das verletztliche Mädel, das null Erfahrungen in der Zivilisation hat. Und auf der anderen Seite die Superkämpferin, die sich anscheinend extrem schnell gut zurecht findet in dieser Zivilisation. Reizüberflutung? Wird mal angedeutet. Aber eigentlich funktioniert diese Hanna recht schnell in der neuen Welt – ein bisschen zu schnell nach 15-jähriger Einsamkeit im Wald.

«Hanna» bei Amazon: Zwischen Action, Roadmovie und Teenager-Drama


Wen das nicht stört – oder anders gesagt: Wer während des Schauens mehr oder weniger seinen kritischen Geist ausschalten kann –, der bekommt ein unterhaltsames Drama geboten, in dem die Teenager für Emotionen und Gefühle sorgen. Die Erwachsenenwelt – vor allem Hannas Gegenspieler – wird trocken und kühl präsentiert, steril und ohne Skrupel. Das mag als Kommentar für unseren durchgetakteten Alltag herhalten: Das wahrhaft Humane findet man in Hanna, dem Mädchen, das sich aufmacht, ihren Vater zu retten. Und hinter das Geheimnis ihrer verstorbenen Mutter zu kommen. Während die, die in der Zivilisation leben, das Inhumane darstellen – die Gentechniker, die Killermaschinen zu züchten versuchen. Jedenfalls ist das die Frage, auf die diese Serie in vielen Momenten hinausläuft: Was ist eigentlich menschlich in unserer Gesellschaft?

Die Story schreitet schnell, wenn auch bisweilen eben unglaubwürdig, voran. Dadurch wird leider die tiefe Charakterzeichnung insbesondere ab der zweiten Episode immer wieder vernachlässigt, während die Action in den Vordergrund rückt. Manchmal wirkt es daher so, als könne sich «Hanna» nicht zwischen Action, Roadmovie und ruhigem Teenager-Drama entscheiden. Davon unabhängig setze sich die Schauspieler hervorragend in Szene, allen voran die Teenager-Darstellerinnen Esmé Creed-Miles (Hanna) und Rhianne Barreto (spielt Hannas Freundin Sophie). Die neue Serie von «The Night Manager»-Macher David Farr ist zumindest deswegen etwas mehr als Durchschnittsware.

Alle Episoden von «Hanna» sind bei Amazon Prime Video verfügbar.

Kurz-URL: qmde.de/108327
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Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
Sentinel2003
02.04.2019 11:56 Uhr 1
Tja, schon kurios, daß ein Kollege einer bekannten anderen MedienSeite genau die Serie ganz stark, positiv benotet hat! :roll:
Nr27
02.04.2019 12:08 Uhr 2


Und was genau soll daran "kurios" sein?



Metacritic zählt in den USA übrigens vier positive Kritiken, acht mittelmäßige und eine negative.

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