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«Spielzeug – Das war unsere Kindheit»: Die verspielte, sehenswerte Netflix-Doku

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Die auch unter ihrem Originaltitel «The Toys That Made Us» bekannte Dokuserie behandelt die Geschichte beliebter Spielzeugreihen – und zwar so, dass auch Nicht-Fans gepackt werden.

Beim Netflix-Surfen zwischen zwei True-Crime-Dokumentationen auf der Suche nach etwas anderem? Wie wäre es mit Rufmord, Ideendiebstahl, Steuerhinterziehung, verletzlichen Männer-Egos und brutalen wirtschaftlichen Fehlentscheidungen? Dann ist «Spielzeug – Das war unsere Kindheit» genau die richtige Dokuserie! Ja, richtig gelesen. Denn das im Original «The Toys That Made Us» betitelte Format ist, entgegen seiner nostalgischen Vorspannsequenz und seines romantisierten Titels, ein überraschend viel Dreck aufwirbelnder Exkurs durch die Geschichte beliebter Spielzeugmarken.

Das macht «The Toys That Made Us» auch für jene interessant, die mit der Produktlinie nichts anfangen können, die den Mittelpunkt einer Episode darstellt. Ein starkes Beispiel ist wohl Ausgabe zwei rund um Barbie: In den über 40 Minuten Laufzeit reißt «The Toys That Made Us» unter anderem an, wie das Traumpüppchen mehrerer Mädchengenerationen von einem Fanprodukt einer anzüglichen 'Bild'-Comicfigur abgekupfert wurde. Wenn das allein und die abfälligen Kommentare gegenüber Deutschlands meistverkauftem Schundblatt, die in der Episode fallen, noch nicht Grund genug zum Anschauen sind, dann vielleicht der kurzweilig erzählte Abriss, wie der Erfolg von Barbie mehrmals ins Trudeln geraten ist. Mal durch das Auffliegen fragwürdiger Buchhaltung, mal durch zeitgemäß vermarktete Konkurrenz, die allerdings von Mattel verbissen bekämpft wurde …

Die He-Man-Episode findet ihren Aufhänger derweil in zwei wiederkehrenden Aspekten in der Entwicklungsgeschichte dieser Marke: Einerseits zieht sich durch die Folge, wie eine Gruppe von Männern sich auch Jahrzehnte später darum zankt, wer mehr zur Schöpfung dieser Figur beigetragen hat. Andererseits wird es zum Running Gag, wie in der Vermarktung der Reihe waghalsig herumimprovisiert wurde. G.I. Joe indes ist eine Geschichte verletzlicher Egos ("Es ist keine Puppe!") und Transformers eine Saga der eilig zusammengeschusterten Ideen sowie der Fehlkalkulation, die immer wieder korrigiert werden musste.

Die «Star Trek»-Folge dagegen ist eine Geschichte des Scheiterns: Spielzeugschöpfer und Fans fassen mit viel Selbstironie zusammen, wie sowohl die Verantwortlichen hinter dem TV- und Filmfranchise als auch diverse Spielzeughersteller immer und immer wieder massiv missverstanden haben, was Kinder und erwachsene Fans von einer «Star Trek»-Spielzeugreihe verlangen. Die LEGO-Ausgabe ist derweil ein mit freundlichem Humor aufgezogenes Auf und Ab, das die Firmengeschichte bunt aufbereitet, und in der «Hello Kitty»-Ausgabe geht es unter anderem um die kulturelle Bedeutung des Kätzchens, die Schwierigkeiten bei der Markteinführung in den USA sowie den Streitpunkt, ob die knuffige Figur überhaupt einen Mund hat.

Im englischsprachigen Original von Donald Ian Black mit jovial-nerdigem Humor erzählt und in der Auswahl der Interviewpartner einen wirksamen Spagat zwischen unterhaltsam und informativ wagend, ist «The Toys That Made Us» zwar bei weitem nicht die gehaltvollste Dokureihe der Welt. Und Hardcore-Fans der behandelten Spielzeugreihen werden pro Ausgabe eher nur ein paar kleine Brocken an neuen Informationen erhalten. Doch für Fans wird dies mit interessantem Behind-the-Scenes-Material und erfrischenden Interviews mit den Spielzeugschöpfern aufgewogen, während Wissbegierige ohne größeres Vorwissen durch die prägnante Erzählweise abgeholt werden. Die einzige Folge, die keinen originellen Dreh findet, ist die Folge über «Star Wars».

Während die anderen Folgen nicht davon ausgehen, dass man Sympathie und Nostalgie für die thematisierte Marke mitbringt, und daher stets einen spitzfindigen Schwerpunkt finden, ist die «Star Wars»-Folge reine Fanschwärmerei für die Historie von «Star Wars»-Spielzeugen. Der Rest von «The Toys That Made Us» ergibt dagegen nach und nach ein faszinierendes Bild der Spielzeugbranche: Es wird mit harten Bandagen gekämpft, gelogen, betrogen und an wandelnde Zeiten angepasst – mal erfolgreich, mal weniger.

Vier weitere Episoden sind für dieses Jahr geplant, dann geht es unter anderem um «My Little Pony» und «Teenage Mutant Ninja Turtles». Einschalten dürfte sich auch da wieder lohnen – ganz gleich, ob man Erinnerungen mit diesen Spielzeugen mitbringt oder nicht.

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