Die Kino-Kritiker

«Unknown User: Dark Web» - Nicht noch ein Desktop-Film

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In der Fortsetzung des Horror-Überraschungshits «Unknown User» bekommen es einige Young Adults mit den dunklen Seiten des Internets zu tun. Das ist leider genauso klischeehaft, wie es sich anhört.

«Unknown User: Dark Web»

  • Start: 6. Dezember 2018
  • Genre: Horror
  • Laufzeit: 92 Min.
  • FSK: 16
  • Kamera: Kevin Stewart
  • Buch & Regie: Stephen Susco
  • Darsteller: Colin Woodell, Stephanie Nogueras, Betty Gabriel, Rebecca Rittenhouse, Andrew Lees, Connor Del Rio
  • OT: Unknown User 2: Dark Web (USA 2018)
Als vor drei Jahren der Skype-Horrorfilm «Unknown User» in die weltweiten Kinos kam, war das Konzept des sich einzig und allein auf einem Computerbildschirm abspielenden Projekts noch ziemlich neu. Zuvor gab es den weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit gelaufenen «Open Windows» auf einigen Festivals zu sehen, doch maßgeblich daran beteiligt, dass sich dieses Konzept langsam auch bei größeren Projekten durchzusetzen begann, war Levan Gabriadzes modernes Schauerstück allemal. Allein in diesem Jahr erscheint nicht bloß eine Fortsetzung zu «Unknown User», gleichzeitig hat die Newcomerin Aneesh Chaganty für ihren «Searching» die Erzähltechnik über Desktops genutzt, um anhand dessen einen normalerweise ziemlich gewöhnlichen Entführungsthriller aufzuziehen, der dank seine besondere Inszenierung zu den spannendsten Filmen dieses Jahres zählt. Gleichzeitig lässt sich anhand dieser drei Beispiele aber auch die schwankende Qualität derartiger Spielereien erläutern und auch, wie nach und nach der Eine vom Anderen lernen konnte.

Im ersten «Unknown User» wurde stur ein einziger Bildschirm abgefilmt, in «Searching» zusätzlich mit verschiedenen Perspektiven und Streamingmöglichkeiten gespielt. «Unknown User 2: Dark Web» ist jetzt eine Mischung aus beidem: Inszenatorisch ist er bei Weitem nicht mehr so monoton wie sein Vorgänger, an die Cleverness eines «Searching» reicht das Sequel allerdings noch lange nicht heran. Und dann gibt es noch ein Problem: «Unknown User 2: Dark Web» ist ein einziges großes Logikloch.

Aufbruch ins Darknet


Als der 20-Jährige Matias (Colin Woodell) einen Laptop in einem Café mitgehen lässt, muss er schnell feststellen, dass etwas mit diesem Gerät nicht stimmt. Denn während eines Skype-Spieleabends mit seinen Freunden entdeckt er versteckte Dateien im Zwischenspeicher und stellt diese wieder her – ein Fehler, den er schon bald bereut. Unwissentlich werden die Freunde in die Tiefen des Darknet gezogen und grausame Videos mit erschreckend realen Aufnahmen tauchen auf ihren Bildschirmen auf. Als sich plötzlich ein anonymer User einhackt, wird der Abend zum reinsten Horror. Die Freunde werden untereinander ausgespielt, all ihre Bewegungen beobachtet und die Spielregeln des Abends ganz neu definiert. Wie weit wird der Hacker gehen, um die Geheimnisse des Darknet zu schützen?

Da mit Extremsituationen konfrontierte Menschen ja auch im echten Leben selten immer sofort das Richtige tun, ist es erst einmal kein K.O.-Kriterium, wenn in einem Film – und gerade im Horrorgenre – alle Beteiligten nicht immer die klügste Entscheidung treffen. Es gehört mittlerweile ja fast ein wenig zum Standard, wenn die Figuren in Gruselfilmen total wider die Natur handeln; maßgeblich das Seherlebnis stören derartige Drehbuchentscheidungen meist nur, wenn sie das Einzige sind, was in einem Film auffällt. «Unknown User 2: Dark Web» gehört dazu. Regisseur und Drehbuchautor Stephen Susco (schrieb unter anderem die Skripte zu «Der Fluch – The Grudge» und «Texas Chainsaw 3D») baut seine komplette Handlung darauf auf, dass seine bis zum Schluss vollkommen blass bleibenden Figuren eine idiotische Entscheidung nach der anderen treffen.

Das beginnt dabei, woher die Hauptfigur Matias (Colin Woodell, «Unsane – Ausgeliefert») eigentlich den Laptop hat, auf dem er und seine Freunde schließlich unzählige Gewaltvideos entdecken, setzt sich fort, wenn er trotz der zunehmenden Anzahl an gefährlichen Ungereimtheiten trotzdem immer weiter auf der Festplatte des Notebook-Besitzers herumforscht und endet schließlich darin, dass Matias‘ Clique sich auf Online-Gespräche mit einem Menschen (dem Notebook-Besitzer eben) einlassen, obwohl sämtliche Indizien dafür sprechen, dass sie es hier mit einem perversen Psychopathen zu tun haben. Und dass ein solch brandgefährlicher Zeitgenosse seinen Computer mit einem Passwort versieht, das ein Teenager binnen kürzester nur durch Ausprobieren knacken kann, wollen wir an dieser Stelle gar nicht weiter kommentieren.

Jumpscare-Party Deluxe


All das Geschilderte steht ja erst einmal „nur“ symptomatisch für die absolute Naivität der Figuren – und erklärt im selben Moment auch, weshalb sich mit all den sich einzig und allein auf ein Stereotypendasein beschränkenden Charakteren (mehr als „Das war der Nerd!“ oder „Das war der Verschwörungstheoretiker!“ wird man direkt mit dem Verlassen des Kinosaals kaum mehr über sie sagen können) so schlecht mitfiebern lässt. Doch «Unknown User 2: Dark Web» will natürlich in erster Linie ein Horrorschocker sein, bei dem eine tiefschürfende Figurenzeichnung im besten Falle zweitrangig sein kann, sofern denn die Atmosphäre ordentlich (zu-)packt. Doch trotz einiger interessanter Ideen, insbesondere der sehr stimmungsvoll umgesetzten Snuff-Filme, ist auch das nicht der Fall.

«Unknown User 2» verlässt sich nach einer unnötig langen Einführung, in der wir den Protagonisten einfach ein wenig bei ihren durchaus authentisch nachempfundenen Onlineaktivitäten zuschauen können (für Matias schürt der Film noch am ehesten Interesse, da er mit seiner taubstummen Freundin Amaya (Stephanie Nogueras, «Switched at Birth») immerhin einen Hauch Background erhält und wir die Ereignisse ja letztlich aus seiner Perspektive erleben), ganz auf das kleine Einmaleins der Jumpscare-Effekthascherei. Und den einprägsamsten davon bekommt das Publikum auch nur deshalb pausenlos vor den Latz geknallt, weil hier, wie zu Beginn angekündigt, auf innere wie äußere Logik gepfiffen wird.

Wir wollen aufgrund von größtmöglicher Spoilervermeidung zwar nicht allzu sehr ins Detail gehen, trotzdem können wir im Vergleich zum ersten «Unknown User» so viel verraten, dass sich Stephen Susco von der Grundidee her an Ähnlichem bedient, wie bereits sein Vorgänger Nelson Greaves. Auch in «Dark Web» entwickeln sich die Ereignisse nach und nach in eine übernatürliche Richtung. Der vermeintliche Psychokiller tritt (zumindest über das Netz!) als eine unheimliche und kaum greifbare Bedrohung auf, der allein schon durch das wesentlich lautere, dumpfere und immer wieder brav für einen Jumpscare genutzte Geräusch angekündigt wird, das es macht, wenn eine neue Nachricht auf Matias‘ Bildschirm erscheint. So billig dieser Kniff auch ist – denn natürlich zuckt man auch beim fünften Mal immer noch automatisch zusammen, einfach weil es die naturgegebene Körperreaktion darauf ist, wenn auf einmal irgendein lautes Geräusch zu hören ist – er wäre zu verschmerzen, wenn er im Kontext des Films Sinn ergeben würde.

Doch wenn sich mit der Zeit herauskristallisiert, dass es die eigentliche Auflösung gar nicht zulassen würde, dass der unheimliche Widersacher zahlreiche Computerfunktionen so modifizieren könnte, wie er es tut, einfach weil sich die Macher entschließen, für einen hanebüchenen Twist alle zuvor aufgebauten Plausibilitäten über Bord zu werfen, ordnet sich rückwirkend alles in «Unknown User 2» einfach nur dem billigen Jumpscare-Kick unter. Das kann Spaß machen, wenn man auf sowas steht, oder vielleicht einfach nur händeringend ein Gegengewicht zu «Hereditary» oder «Suspiria» sucht. Gleichzeitig nimmt der Kalkül aber auch so viel aus der potenziell stimmigen Atmosphäre, bei der sogar zeitweise einige interessante Probleme der weltweiten Vernetzung angesprochen werden, die so noch nicht unbedingt Thema eines typischen „Internetfilms“ waren, dass «Dark Web» selbst unter diesen Bedingungen wenig taugt.

Fazit


«Unknown User 2 Dark Web» setzt zwar nicht mehr auf die inszenatorische Monotonie wie der erste Teil, gleichzeitig bleibt das Sequel dem Jumpscare-Party-Charakter des Vorgängers treu und interessiert sich dabei weder für seine Figuren, noch für eine innere Logik. Alles ordnet sich dem schnellen Adrenalinkick unter. Und das ist mit der Zeit ganz schön lame.

«Unknown User 2: Dark Web» ist ab dem 6. Dezember in den deutschen Kinos zu sehen.

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