Die Kino-Kritiker

«Mamma Mia! Here We Go Again»: Das ABBA-Musical bekommt 'ne Zugabe

von   |  2 Kommentare

Die Fortsetzung von «Mamma Mia!» rackert sich spürbar ab, um zu ihren Gesangseinlagen zu gelangen. Das drosselt den Spaßfaktor …

Filmfacts: «Mamma Mia! Here We Go Again»

  • Regie: Ol Parker
  • Produktion: Judy Craymer, Gary Goetzman
  • Drehbuch: Ol Parker
  • Story: Catherine Johnson, Richard Curtis, Ol Parker; basierend auf «Mamma Mia!» von Catherine Johnson
  • Darsteller: Christine Baranski, Pierce Brosnan, Dominic Cooper, Colin Firth, Andy García, Lily James, Amanda Seyfried, Stellan Skarsgård, Julie Walters, Cher, Meryl Streep
  • Instrumentalmusik: Anne Dudley
  • Kamera: Robert Yeoman
  • Schnitt: Peter Lambert
  • Laufzeit: 114 Minuten
  • FSK: ohne Altersbeschränkung
Rückblende: Die junge Aussteigerin Donna (Lily James, «Cinderella») zieht es nach ihrem Studienabschluss nach Paris, wo sie den werdenden Banker Harry (Hugh Skinner, «Poldark») kennenlernt. Zunächst tut sich der süße, aber überaus scheue Bube schwer, die Nähe der offenen und munteren Donna zu suchen. Als sie ihm beim Spaziergang einimpft, er könne ja auch einfach fragen, überstrapaziert er diese Lektion wenige Zeit später: In einem feinen französischen Restaurant, das Napoleon gewidmet ist, fragt er Donna leicht verschüchtert, doch geradeheraus, ob sie mit ihm schlafen will. Zunächst von dieser Geradlinigkeit übertölpelt, lehnt Donna Harrys Bitte ab, was aber in ihm Chuzpe wachkitzelt, so dass er ein Lied anstimmt, mit dem er eine Niederlage für die Barrikade zwischen ihm und seiner Angebeteten herbei zu singen versucht. Es ertönt ABBAs Gute-Laune-Schlager 'Waterloo'. Begleitet von einer zunehmend irrer werdenden, genüsslich-albernen Choreografie mit augenzwinkernden Frankreich-Klischees, fröhlich grinsenden Kellnern im Napoleon-Outfit und Zaubertricks …

Diese Sequenz ereignet sich im ersten Drittel von «Mamma Mia! Here We Go Again». Und mehr muss über die sympathisch selbstironisch betitelte Fortsetzung des ABBA-Musicalfilms aus dem Jahre 2008 eigentlich nicht gesagt werden …

«Mamma Mia!» spielte weltweit über 615 Millionen Dollar ein – und was noch wichtiger ist: Das sonnig-fröhliche Musical erkämpfte sich im Herzen vieler ABBA-, Popmusik- und Filmfans einen festen Platz als wundervolle, leichtfüßige Ladung Spaß. Ohne den leisesten Hauch des Zynismus im filmischen Leibe entführt die Universal-Pictures-Produktion auf eine paradiesische, griechische Insel und versprüht mit seinem bestens gelaunten Ensemble und den eingängigen Melodien beliebter ABBA-Lieder Frohsinn – mit kleineren emotionaleren Momenten, die behutsam in die Handlung gestreut wurden.

So schlicht das Drehbuch von «Mamma Mia!» auch sein mag: Catherine Johnson, die zuvor schon das gleichnamige Bühnenmusical verfasst hat, gelang das beeindruckende Kunststück, die über 20 Gesangseinlagen des Films stimmig und nahtlos zu einer Erzählung zu formen – obwohl sie aus einem bestehenden Popsongkatalog zusammengesucht wurden. Und eben diese simple, flüssig erzählte Geschichte ermöglicht es dem Originalfilm, dass sich der immense Spielspaß des Ensembles auf's Publikum überträgt. Tja. Und dann ist da nun «Mamma Mia! Here We Go Again», das wiederholt weite Wege geht, um die Story in eine Richtung zu zwängen, die den Einsatz eines beliebten ABBA-Hits rechtfertigt.

Die einzelnen Szenen, die so entstehen, sind oftmals vergnüglich. ABBA hat halt zahlreiche starke Popsongs im Repertoire und die Neuarrangements im Film sind durchweg liebevolle Überarbeitungen der Originale, die den Kinoversionen neue Akzente verleihen, ohne die Vorlagen zu verunstalten. Die von Anthony Van Laast (Disneys «Die Schöne und das Biest»-Realfilm) entworfenen Choreografien sind zwar keineswegs komplexe, erstaunliche Meilensteine des Musicalkinos, doch sie verstehen es bei den schmissigen Songs immer wieder, ein losgelöstes Lebensgefühl zu vermitteln. Und in Szenen wie der besagten 'Waterloo'-Passage dreht Van Laast herrlich campig auf. Und: Vor allem Lily James' breites Lächeln steckt an, doch der gesamte Cast wirkt amüsiert, ohne durch zu dicke-ironische Faxen Löcher in die frohe Urlaubsstimmung zu bohren.

Aufmerksame Lesende werden das große 'Aber …' erahnen: Während in «Mamma Mia!» die Gute-Laune-Wirkung des Films dank der geradlinig fließenden, unvermittelten Erzählweise eine sukzessiv steigende Sogkraft entwickelt, ist «Mamma Mia! Here We Go Again» dafür zu konstruiert. Da ist der angestrengte Umweg, der zur unbekümmert dick aufgetragenen 'Waterloo'-Szene führt. In einer anderen Rückblende küssen die junge Donna und ihre besten Freundinnen (Jessica Keenan Wynn und Alexa Davies) bei ihrer Uniabschlussfeier ganz flüchtig eine Lehrerin – ein forcierter Grund, 'When I Kissed the Teacher' zu verwenden. Dort, im Hier und Jetzt des Filmgeschehens, gerät Sophie (Amanda Seyfried, «Pan»), Donnas Tochter, unverhofft in einen Streit mit ihrem Mann Sky (Dominic Cooper, «Need for Speed»). Den hat sie nämlich zu einer Nachschulung zum Hotelkaufmann nach New York City geschickt, damit er ihr bei der Wiedereröffnung von Donnas Hotel helfen kann. Aber der absolute Neuling in diesem Metier bekam während seiner Lehre von den Besten im Fach eine Festanstellung angeboten, die er nicht ablehnen will. Klar …

Was für Sophie bedrückend ist, ist aber super für's Publikum, denn so lässt sich die Liebeskummernummer 'One of Us' in den Film einbauen, die Regisseur Ol Parker («Best Exotic Marigold Hotel») mit überraschender Gravitas in Szene setzt – nicht zuletzt dank der Raffinesse seines Cutters Peter Lambert (Assistenzcutter bei «Children of Men») und der galanten Kameraführung Robert Yeomans («Grand Budapest Hotel»). Während Yeoman und Lambert in «Mamma Mia! Here We Go Again» in ihrem handwerklichen Können sonst kaum gefordert werden und Parkers routinierte Anforderungen sicher aus dem Effeff beherrschen dürften, ist 'One of Us' als vergleichsweise komplexe, paradoxe Sequenz entworfen, die das angespannte Paar ganz nah zusammenbringt, um die Einsamkeit der beiden Partner zu unterstreichen.

Oh, aber zurück zum mit mildem Dialogwitz gespickten Rest des Films, der der mehr Lieder aus «Mamma Mia!» ausführlich wiederverwendet, als es sich an einer Hand abzählen lässt, statt die Chance zu nutzen, die Bandbreite an ABBA-Krachern in dieser Filmreihe zu vergrößern. Fans des im Erstling nur rasch abgegoltenen 'Gimme! Gimme! Gimme!' oder der diversen Songs, die nun in beiden Filmen ungenutzt bleiben, bekommen so indirekt die lange Nase gezeigt. Das ist die falsche Form der Unbekümmertheit, die man von solch einem Film haben möchte – und die zeigt sich auch an anderer Stelle: In der Kontinuität. Da hat die junge Version der von Julie Walters («Brooklyn») gespielten Rolle einfach mal eine andere Augenfarbe, und die Rückblenden in Teil zwei beißen sich mit denen im ersten Film. Selbst wenn die «Mamma Mia!»-Filme primär als Stimmungsaufheller gedacht sind, wäre so eine Schludrigkeit nicht nötig …

Der regelrechte Sturm an Sommer-Sonne-ABBA-Spaßigkeit aus dem Erstling will sich so einfach nicht wiederholen. Aber selbst wenn die argen Drehbuchkonstruktionen, die Regisseur und Drehbuchautor Ol Parker in «Mamma Mia! Here We Go Again» nutzt, um von Song zu Song zu kommen, die Partywellen ausbremsen: Das «Mamma Mia!»-Feeling stellt sich eben doch wieder ein, und sei es halt stockend und etwas gehemmter. Die zweite filmische ABBA-Coverparty muss nicht an die erste heranreichen, um amüsant zu sein. Hey, Christine Baranski, Pierce Brosnan, Colin Firth, Andy García, Stellan Skarsgård, Cher, Jeremy Irvine («Stonewall»), Josh Dylan («Allied: Vertraute Fremde») und Meryl Streep hauen auf einer griechischen Insel auf den Putz, indem sie schwedischen Pop trällern – da muss man schon ein Miesepeter sein, um daran gar keinen Spaß zu haben!

«Mamma Mia! Here We Go Again» tanzt ab sofort über die deutschen Leinwände.

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Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
Sentinel2003
18.07.2018 13:57 Uhr 1
Tja, auch der ZDF - Morgenmagazin - Kino - Kritiker hatte wahrscheinlich, verständlicherweise kaum was übrig für diese Fortsetzung! Es fehle wohl an jeder Ecke Meryl Streep, die den ersten Film wohl fast alleine getragen hätte...und Cher ist keine würdige Nachfolgerin von Ihr.....
Quotermain
19.07.2018 07:14 Uhr 2
" – da muss man schon ein Miesepeter sein, um daran gar keinen Spaß zu haben!"



Kommerz.

Es gibt Leute, die haben daran keinen Spaß, ohne Miesepeter.



Der erste Film war witzig, der zweite ist ein Abklatsch, noch dazu extrem unverschämt in der Zielgruppe platziert mit Cher, siehe Transsohn.

Mehr kann man sowas nicht abkassieren.

Das sollte jede wasauchimmer-Community irgendwann mal kapieren.

Nönönö, ich würde nie behaupten, daß Abba keine abkassierbare Schwulengemeinde hat. Upps, Cher bringt ja auch ein Album mit Abba-Liedern raus.



Und bevor hier wieder das Heterogebashe losgeht, das ist genau so üble Geldmacherei wie Expendables.
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