Die glorreichen 6

Die glorreichen 6 – Kritikerflops, die wir lieben (Teil I)

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Es ist ein Thema, das sich (nahezu) unendlich fortsetzen ließe: Filme, die einen miesen Kritikerkonsens haben, und dringend mehr Respekt verdienen. Wie «Demolition – Lieben und Leben».

Die Handlung


Filmfacts: «Demolition - Lieben und Leben»

  • Regie: Jean-Marc Vallée
  • Produktion: Lianne Halfon, Russ Smith, Molly Smith, Trent Luckinbill, Sidney Kimmel, Jean-Marc Vallée, Thad Luckinbill, John Malkovich
  • Drehbuch: Bryan Sipe
  • Darsteller: Jake Gyllenhaal, Naomi Watts, Chris Cooper, Judah Lewis
  • Kamera: Yves Bélanger
  • Schnitt: Jay M. Glen
  • Veröffentlichungsjahr: 2015
  • Laufzeit: 101 Minuten
  • FSK: ab 12 Jahren
  • Rottentomatoes-Wert: 52%
  • Metascore: 49
Es ist der Moment, in dem sich für Investment-Banker Davis Mitchell (Jake Gyllenhaal) alles verändert. Sollte man zumindest meinen: Er gerät mit seiner Frau Julia (Heather Lind) in einen schweren Autounfall. Während er nahezu unbeschadet davonkommt, stirbt sie kurz nach dem Unglück im Krankenhaus. Dort will sich der schockierte Davis an einem Automaten Süßigkeiten ziehen, doch die Packung bleibt stecken. Genervt notiert er sich die Kontaktdaten der Automatenfirma – und verfasst ausgerechnet auf der Trauerfeier, die zu Ehren Julias abgehalten wird, seinen ausführlichen Beschwerdebrief.

In den kommenden Wochen eckt Davis außerdem in der Firma seines Schwiegervaters (Chris Cooper) an. Unter anderem, weil er sich keinen Kummer anmerken lässt, was sein Umfeld befremdlich findet. Vermisst Davis seine Frau etwa gar nicht? Oder vermisst er sie und lebt seine Trauer auf absonderliche Weise aus? Denn alsbald entwickelt er die Macke, kaputte Dinge in sämtliche Einzelteile zu zerlegen. Dies führt dazu, dass sich Julias Familie zunehmend von Davis distanziert, während Karen Moreno (Naomi Watts), die Kundendienstlerin des Automatenherstellers, eine Bindung zum Witwer mit den komplexen Gefühlen (oder dem dramatischen Fehlen von Emotionen) aufbaut …

Die glorreichen Aspekte


Viele Kritiker warfen «Demolition» vor, ein konfuser Film zu sein – aber ist nicht gerade das der Sinn der Sache? «Dallas Buyers Club»-Regisseur Jean-Marc Vallée und Drehbuchautor Bryan Sipe gehen in ihrer gerade einmal rund drei Millionen Dollar teuren Produktion dem Gefühl auf den Grund, wie es ist, nicht exakt das zu empfinden, das von seinem direkten Umfeld erwartet und als "normal" erachtet wird. Wenn Davis Mitchell aufgrund des Todes seiner Frau weder in Tränen ausbricht, noch sich von Selbstvorwürfen niederringen lässt oder in brennendem Zorn auf die Ungerechtigkeit des Schicksals aufgeht, fängt «Demolition» die Verwirrung ein, die es hinterlässt, wenn dort eine Lücke klafft, wo ein offensichtliches Gefühl stehen sollte.

Die naheliegende Deutung, dass Davis Mitchell seine Gefühle in sich hineinfrisst und das Zerlegen von Dingen eine impulsive Form der Kompensation ist, wird jedoch nicht gewaltsam unterstrichen: Nicht nur, dass ein magnetischer, undurchschaubarer Jake Gyllenhaal die Figur mit seinem nuancenreichen Spiel nicht so geradlinig anlegt, als dass diese simple Lesart offensichtlich wird – auch Vallées tonal vielschichtige Inszenierung und Sipes Allgemeinplätze vermeidendes Drehbuch sorgen dafür, dass mehrere Deutungsmöglichkeiten möglich sind. Die stilisierte Attitüde von «Demolition», die Situationen atmosphärisch überhöht und ihnen zwischendurch mittels assoziativer Szenenübergänge unwirkliche Gestalt verleiht, wird so durch ein Element der Lebensnähe aufgewogen:

Wie im realen Leben bleiben manche Motivationen unklar – ist Davis Mitchell so einfach gestrickt wie es in einer klassischen Trauerverarbeitungsdramödie der Fall wäre, oder gerät er in seinen Zerstörungstick, weil er wirklich nichts fühlt und mit dem gesellschaftlichen Druck, bitte Trauer zu empfinden, nicht klar kommt? Oder ist seine Macke ein Ausdruck seiner gedanklichen Dekonstruktion einer Ehe, die eh nicht funktioniert hat, was wiederum seine Lethargie erklären würde? Oder ist es gar eine Kombination aus all dem? Versüßt wird dieses potentiell trockene Thema durch einen rabenschwarzen, knochentrockenen Humor und dezent-groteske Elemente, die Vallée mit einem faszinierenden Blick für verquere Details umsetzt. Eingebettet ist all dies in eine zynisch-melancholische Stimmung, wie sie etwa Gore Verbinskis unterschätzte Dramödie «The Weather Man» ausmacht, einen weiteren ungerechtfertigten Kritikerflop. Kurzum: «Demolition» ist vielleicht nicht Jean-Marc Vallées zugänglichste Regiearbeit, aber seine beeindruckendste und eine, die dringend eine Reevaluation verdient hat!

«Demolition» ist via Amazon, maxdome, iTunes, Google Play, Microsoft. Rakuten TV, Videoload und Sony abrufbar.

Kurz-URL: qmde.de/102012
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