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«American Idol»: Der Ausschuss von «The Voice»

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In den letzten Monat hat ABC die ehemalige heilige Casting-Kuh von FOX wiederbelebt. Konzeptuell wurde behutsam modernisiert – die Fehler der Vergangenheit aber wiederholt.

«American Idol» war eine Institution im amerikanischen Fernsehen, eine der stärksten Marken und der erfolgreichsten Shows aller Zeiten. Wie viele von ihnen hatte sie ihren Zenit schon nach wenigen Staffeln überschritten, im Lauf der Jahre den sich wandelnden Geist der Zeit verschlafen, und die Gunst der Kritiker lange verloren, bevor schließlich auch die Zuschauerzahlen in einem Maß nachgaben, dass FOX 2016 die heilige Kuh schließlich schlachtete.

«American Idol» hatte im Zuge der Wandlungen seines Formatkonzepts immer wieder auf das falsche Pferd gesetzt. Anstatt wie «The Voice», das dem Genre zu Beginn des Jahrzehnts einen starken neuen Impuls versetzte, eine beeindruckende musikalische Qualität ins Zentrum zu rücken, verstärkte «American Idol» den Fokus auf das Storytelling um die Heldenreise seiner Protagonisten: Dabei wollte das Publikum eben keine (eher mühsam erzählten) Geschichten mehr, sondern eine Musiksendung, die den Künstler mit seiner Musik in den Mittelpunkt stellte. «American Idol» verlor sich stattdessen im boulevardesken Kleinklein und besetzte in seiner verzweifelten Suche nach Konflikten und Lautstärke auch seine Jurys mit entsprechendem Sprengstoffpotential (Mariah Carey und Nicki Minaj).

Das aktuelle Revival bei ABC wartete hinsichtlich der konzeptuellen Strukturen nur mit behutsamen Änderungen auf: Anstatt die Casting-Phase chronologisch nach Städten geordnet zu erzählen wie zuvor, finden sich nun muntere Zusammenschnitte unabhängig vom Aufzeichnungsort. Die Reduzierung der Motto-Show-Phase, die in den USA dadurch bewerkstelligt wird, dass mehr als ein Kandidat pro Sendung ausscheidet, folgt den Lehren, die bereits in anderen Märkten (insbesondere Deutschland) aus dem Umstand gezogen wurden, dass diese Phase der Sendung bei den Zuschauern den geringsten Zuspruch findet. Das führt freilich zu Konflikten mit einem alten Kernelement des Formats, das «American Idol» speziell in seinen späteren (und musikalisch schwächeren) Jahren gerne bediente: die Geschichte um die Heldenreise der besonders exponierten Casting-Kandidaten, die zwar weit weniger unappetitlich-voyeuristisch vorgetragen wurde als im deutschen Pendant, aber nichtsdestotrotz sehr boulevardesk, klischeebeladen und eindimensional erzählt war.

Trotz der Reduzierung der nicht nur ästhetisch glamouröseren Motto-Show-Endphase auf dem Weg zum Finale ist «American Idol» in seiner ABC-Inkarnation showiger geworden und straft so die Erwartungshaltung Lügen, die Sendung würde wie ein Anachronismus aussehen. Das Bühnenbild ist edler, glanzvoller, sieht anders als früher weniger nach umgebauter Industriehalle aus und orientiert sich vielmehr an eingängigen Clubelementen, während die dargebotene musikalische Qualität weiterhin meilenweit vor den ausländischen Pendants liegt und zumindest im Grundsatz auch mit den Talenten beim amerikanischen «The Voice» mithalten kann: Wobei die amerikanische Presse nicht ohne eine gewisse Häme gerne betont, dass ein substanzieller Teil der Talente der «American-Idol»-Revival-Staffel (einschließlich der Siegerin) aus dem Kandidaten-Ausschuss früherer «The-Voice»-Jahre besteht.

Während Moderator Ryan Seacrest derweil auch personell für Kontinuität sorgt, sind die Jury-Posten wie früher mit leicht durchschaubarer Berechnung besetzt: Lionel Richie soll für musikalische Glaubwürdigkeit stehen, Luke Bryan als Identifikationsfigur für die Zuschauer aus den Südstaaten fungieren, wo die Sendung traditionell besonders erfolgreich läuft, während Katy Perry den Pausenclown gibt. So bleibt das Meiste beim Alten, auch wenn die Gesichter andere sind. Im Kern ist das schon immer ein grundlegendes Problem des Formats gewesen, das seine Kandidaten weniger als individuelle Künstler und vielmehr als Tabula Rasa sieht, aus der die Sendung machen kann, was sie will. Das passt auch zum jahrelangen Intro der Show, in dem das animierte „Idol“ gesichtslos und generisch bleibt.

Kurz-URL: qmde.de/101187
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